Ihr direkter Draht zu uns

Wie der IDW ES 6 n.F. Standard die Bedeutung von ESG in der Sanierung unterstreicht

Nachhaltigkeit ist kein Trend, sondern ein gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Imperativ. In vielen Unternehmen führt das zu einer fundamentalen Neuorientierung des Denkens und Wirtschaftens. Ein Treiber ist nicht zuletzt die Vielzahl an zuletzt veröffentlichten Nachhaltigkeits-Regularien und -Gesetzen, die es in einer Environmental-Social-Governance-orientierten Unternehmensausrichtung umzusetzen gilt. Die Notwendigkeit einer unternehmerischen ESG-Transformation greift auch die aktuelle Restrukturierungsstudie von Roland Berger auf. Gemäß der Studie darf die ESG-Transformation trotz Herausforderungen durch Pandemie, Krieg und Inflation nicht vernachlässigt werden. Demnach stehen laut der befragten Restrukturierungsexperten auch Investitionen in ESG und Nachhaltigkeit verstärkt im Fokus bei der Durchführung von Restrukturierungsmaßnahmen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Thema ESG auch in der Restrukturierungsbranche angekommen ist und dort große Aufmerksamkeit erfährt.¹

ESG-Anforderungen als integraler Bestandteil der Sanierungsprüfung gemäß Neufassung des IDW ES 6 N. F.

Die Bedeutung von ESG-Aspekten für die Sanierung greift auch der vom Fachausschuss Sanierung und Insolvenz (FAS) des Instituts deutscher Wirtschaftsprüfer (IDW) am 27.09.2022 veröffentlichte Entwurf zur Neufassung des IDW-Standards „Anforderungen an Sanierungskonzepte“ (IDW ES 6 n. F.) auf. Dieser geht bereits in den Kernanforderungen an Sanierungskonzepte auf das Thema Nachhaltigkeit ein. Nachhaltigkeit ist gemäß IDW ES 6 nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern auch mit Blick auf die Erfüllung von ESG-Anforderungen die Basis für einen Sanierungserfolg v. a. im Hinblick auf die Stabilisierung der Vertrauensgrundlage zu den Stakeholdern eines Unternehmens. Kerninhalt eines Sanierungskonzeptes ist nach IDW ES 6 das Leitbild des sanierten Unternehmens, welches nicht nur die langfristigen Zielvorstellungen und Grundstrategien, sondern zukünftig auch, sofern für das Geschäftsmodell wesentlich, die ESG-Strategie abbilden soll. Im Rahmen der Analyse der Unternehmenslage soll gemäß IDW ES 6 in Abhängigkeit des Geschäftsmodells beurteilt werden, ob das Unternehmen der Einhaltung von ESG-Anforderungen voraussichtlich gewachsen ist. Der Standard trifft jedoch keine Aussage, inwieweit zu überprüfen ist, ob das Unternehmen schon zu einem gewissen Grad ESG-Konformität aufweist oder in welchem Zeitraum eine bestimmte ESG-Konformität zu erreichen ist.²

Freiraum in der Sanierungskonzept-Gestaltung erfordert ESG-Expertise

Der gegebene Freiraum erfordert folglich entsprechende Expertise seitens des Erstellers des Sanierungskonzeptes. Die Einfachheit der Abbildung von ESG-Faktoren im Sanierungsgutachten divergiert je nachdem, ob es sich um E-, S- oder G- Faktoren handelt. Während E-Faktoren häufig quantitativ messbar sind und sich so in einer finanzwirtschaftlichen Planung abbilden lassen, handelt es sich bei S- oder G-Faktoren tendenziell um Faktoren, welche sich eher qualitativ als quantitativ messen lassen. Der Ersteller des Sanierungskonzeptes kann sich in der Formulierung des Sanierungskonzeptes an den Ratinganforderungen und eingesetzten ESG-Checklisten der Banken orientieren.³ Die Ergebnisse werden klassischerweise in Form eines ESG-Scores dargestellt, der sich häufig aus Anwendung eines Punktebewertungsverfahrens und Gewichtung der Bereiche E, S und G ergibt.⁴ Als Unterstützung für die Bewertung der einzelnen Faktoren kann sich beispielweise an den Normen der Internationalen Organisation für Normierung (ISO) orientiert werden, die z. B. Normen im Bereich des Klimawandels umfassen.⁵ Mittlerweile existieren auf dem Markt auch verschiedene Initiativen wie das Carbon Disclosure Project, mit Hilfe dessen sich ein Benchmarking erstellen lässt, indem die CO2-Emissionen des Unternehmens mit den branchenüblichen CO2-Emissionen verglichen werden.⁶ Grundsätzlich ist bei der ESG-Prüfung zu beachten, dass bestimmte Indikatoren für gewisse Branchen relevanter bzw. wesentlicher sind als für andere. Dies impliziert, dass der Konzeptersteller in der Lage sein muss, ESG-Anforderungen abgestimmt auf das eigene Geschäftsmodell zu erkennen und zu analysieren. Hierbei kann auf die SASB-Standards zurückgegriffen werden, welche in Anbetracht des Sektors, in dem das Unternehmen tätig ist, branchenspezifische Themenfelder und Schwerpunkte zur Orientierung aufzeigen.⁷

Einfluss von ESG-Faktoren auf die Finanzierungsvergabe von Banken

Gemäß IDW ES 6 gilt ein Unternehmen als sanierungsfähig, wenn es sowohl als fortführungsfähig als auch wettbewerbsfähig eingestuft werden kann. Wettbewerbsfähigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen u. a. wandlungs- und adoptionsfähig ist, was die Einhaltung von ESG-Anforderungen betrifft. Der IDW ES 6 macht deutlich, dass die Einhaltung von ESG-Anforderungen auch eine Voraussetzung für die dauerhafte Fortführungsfähigkeit des Unternehmens sein kann. Die Einhaltung von ESG-Anforderungen bedingt eine angemessene Kommunikation mit den Stakeholdern, Berichterstattungspflichten und die Integration von ESG-Risiken in den Risikomanagementprozess. Zugleich betont der IDW ES 6, dass eine Nichteinhaltung von ESG-Kriterien zu Straf- oder Reputationsrisiken, mangelnder Akzeptanz bei den Stakeholdern oder eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten führen kann.⁸
ESG-Themen spielen im Rahmen der Sanierung also insbesondere auch bei der Refinanzierbarkeit von Unternehmen eine wichtige Rolle. Berücksichtigen Unternehmen ESG-Faktoren nicht ausreichend, besteht aufgrund von Abschlägen im Rating und damit mangelnder Bonitätsqualifizierung oder der Nichterfüllung bankinterner Kreditvergabekriterien die Gefahr von Einschränkungen bei der Kreditvergabe und damit eines (Re-)Finanzierungshindernisses, welches insbesondere für die Vielzahl von in Deutschland bankenfinanzierten Unternehmen ein Problem darstellen könnte. In diesem Kontext ist seitens der Banken durchaus eine zunehmende Berücksichtigung von ESG-Faktoren in der Kreditvergabe zu beobachten, welche zum einen daher rührt, dass sich Nachhaltigkeitsrisiken bei Unternehmen als Kreditnehmer schnell zu Kreditrisiken bei Banken entwickeln können. Dies ist etwa der Fall, wenn Nachhaltigkeitsrisiken die Ertragskraft und Existenz der Unternehmen beeinträchtigen und dazu führen, dass die Kreditnehmer ihren Verpflichtungen aus dem Kreditgeschäft nicht (vollständig) oder nicht fristgerecht nachkommen können. Zum anderen haben auch Regulierungsbehörden wie die EZB und EBA das Thema Nachhaltigkeit verstärkt auf ihrer Agenda und formulieren demnach entsprechende Anforderungen an Banken, ESG-Risiken in ihren Kreditvergabeprozessen zur Steuerung von Kreditrisiken zu berücksichtigen.⁹
Durch die zunehmende Berücksichtigung von ESG-Faktoren seitens der Banken steigt automatisch auch der Druck auf Unternehmen sich mit ESG-Themen auseinanderzusetzen. So kann sich ein nicht ESG-konformes Geschäftsmodell seitens der Unternehmen letztendlich negativ auf die Kreditkonditionen auswirken und zu einer Verteuerung der Kredite führen oder gar einen gänzlichen Ausschluss von bestimmten Sektoren/Kreditnehmern von der Kreditvergabe nach sich ziehen. Zudem erfordert die Umsetzung der ESG-Anforderungen häufig zusätzliche Investitionen, wie beispielsweise den Aufbau von Personalkapazitäten oder Schulungen, welche den Finanzierungsbedarf zusätzlich erhöhen. Fraglich ist, ob Banken bereit sind, diese zu finanzieren, gleichwohl sich durch entsprechende Investitionen die ESG-Konformität der Unternehmen erhöht.

Fazit

Im Rahmen des Sanierungsgutachtens kann eine eingeschränkte Refinanzierbarkeit durch eine eingeschränkte Kreditvergabe aufgrund eines nicht ESG-konformen Geschäftsmodells die Aufrechterhaltung einer positiven Fortführungsprognose behindern. Diese sieht vor, dass Unternehmen in den folgenden 24 Monaten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der Lage sind, ihren fällig werdenden Verbindlichkeiten nachzukommen. Können Unternehmen dies nicht leisten, kann die Sanierungsfähigkeit versagt werden und muss folglich ein Insolvenzantrag gestellt werden. Es wird deutlich, dass eine Fortführungsfähigkeit nur auf der Basis der dauerhaften Finanzierungsbereitschaft durch Banken gegeben ist, was wiederum einer existierenden ESG-Strategie bedarf.
Zusammenfassend kann geschlussfolgert werden, dass durch den IDW ES 6 die Prüfung der Einhaltung von ESG-Faktoren ein fester Bestandteil in Sanierungsgutachten und damit der Sanierungsprüfung wird und Unternehmen für eine Bestätigung der Sanierungsfähigkeit entsprechende Maßnahmen zur ESG-Konformität ergreifen sollten, um nicht einer mangelnden Akzeptanz durch Stakeholder und Straf- oder Reputationsrisiken ausgesetzt zu sein sowie weiterhin Finanzierungszusagen zu erhalten.

1 Roland Berger (2022). 2 Institut der Wirtschaftsprüfer (2022).
3 DZ Bank (2021). 4 Landesbank Baden-Württemberg (2022).
5 International Organization for Standardization (2023). 6 Carbon Disclosure Projekt (2023).
7 SASB Standards (2023). 8 Institut der Wirtschaftsprüfer (2022).
9 EBA (2020); EZB (2020).

Weitere Impulsletter

Teilen
Newsletter