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Vertriebs- und Servicepartner-Rating

Methodische Entwicklung eines Partnerbewertungsschemas für Vertrieb & Service

Impulsletter 05 / 2023 – Dr. Thorsten Giesa

Die eigenen Vertriebs- und Servicepartner sind ein wesentliches Aushängeschild eines Unternehmens. Diese gilt es, genauso wie die eigenen Mitarbeiter, stets weiterzuentwickeln und auf sich ändernde Geschäftsmodelle sowie Marktgegebenheiten anzupassen. Ein gut konzipiertes Scoring- bzw. Reifegradmodell kann dabei als Grundlage zur Bewertung dienen, um anschließend Maßnahmen zur Förderung auf- und umzusetzen. Hierbei müssen die richtigen Dimensionen und Kriterien abgeleitet werden, die entlang eines definierten Entwicklungspfades die valide Bewertung des Partners ermöglichen.

 

Drum prüfe, wer sich länger bindet…

Der vorliegende Impulsletter richtet sich an Geschäftsleitung, Management sowie Entscheidungsträger von Unternehmen in der verarbeitenden Industrie, insbesondere dem Maschinen- und Anlagenbau sowie der Automobilindustrie. In unserem Beitrag zeigen wir auf, wie Vertriebs- und Servicepartner aus Sicht des OEMs zu bewerten sind. Die nachfolgenden Informationen basieren auf der langjährigen Erfahrung zahlreicher Beratungsprojekte, sind aber für eigene Zwecke stets auf das individuelle Geschäftsmodell sowie das Produkt- und Dienstleistungsportfolio anzupassen.

Der deutsche Mittelstand als Exportnation greift oftmals neben einem eigenen Direktgeschäft weltweit auf ein Netz zahlreicher Vertriebs- und Servicepartner zurück. Dabei stellt sich die Frage, wie der eigene Qualitätsanspruch und das weltweite Leistungsversprechen abgesichert werden können.

Um seinen Kunden einen verlässlichen und erstklassigen Service bieten zu können, ist es notwendig, nicht nur die eigenen Qualitäten messbar zu dokumentieren, sondern auch die Stärken und Schwachstellen der Vertriebs- und Servicepartner zu ermitteln.

 

Methodik

Die Entwicklung eines scoring-basierten Reifegradmodells mit einer anschließenden Auditierung ist ein erprobter Ansatz, um die Qualität der Vertriebs- und Servicepartner bewerten, vergleichen und nachhaltig fördern zu können.

Dabei sind individuelle Entscheidungsfaktoren und Schwerpunkte zu setzen, die sich an dem gesetzten Qualitätsanspruch orientieren und der Erfüllung des eigenen Leistungsversprechens dienen. Kriterien können binär formuliert sein (Erfüllung Ja/Nein) oder der relative Erfüllungsgrad gemessen werden (in % oder z.B. auf einer Skala von 1-10). Wir empfehlen stets beide Ansätze zu berücksichtigen, da bei gewissen Merkmalen wie Reaktionszeit oder Leistungsangebot keine Kompromisse eingegangen werden sollten.

Ebenso ist zu definieren, wie und in welchen Abständen eine Auditierung erfolgen soll und welche Anreize geboten werden, um die Qualität und das Angebot des Vertriebs- und Servicepartners sukzessive zu erhöhen (z.B. Ersatzteil-Rabatte, Übernahme von Lizenzkosten für CRM, Marketingzuschüsse).

Strategisch sollten gemeinsam mit den jeweiligen Vertriebs- und Servicepartnern Maßnahmen erarbeitet werden, um die Weiterentwicklung voranzutreiben. Dabei werden Soll-Hypothesen genutzt, um die zukünftigen Ansprüche an die Partner zu definieren. Anschließend wird in einer Bestandsaufnahme der Ist-Zustand analysiert und mit dem Zielbild abgeglichen.

 

Allgemeine Vorgehensweise

Auf Basis unserer Projekterfahrung hat sich eine Vorgehensweise in 4 Schritten zur Bewertung der Vertriebs- und Servicepartner bewährt.

Abbildung 1: 4-Schritte-Prinzip.

Das 4-Schritte-Prinzip beginnt mit der Aufnahme des Status quo, in dem das aktuelle Partnerhandling analysiert wird. Bevor Optimierungsansätze identifiziert werden können, muss zunächst der Soll-Zustand definiert werden – worauf legen wir als OEM wert? Wie kümmern wir uns heute um unsere Partner? Was erwarten unsere Partner von uns? Ein Abbild und Abgleich des Ist-Zustands zeigen das Gap für die Strukturierung von Maßnahmen auf. Teilschritte wären die Formulierung von Hypothesen zum Soll-Zustand seitens des OEMs an die Partner, aber eben auch die Aufnahme der Erwartungshaltungen der Partner an den OEM. Auch der gewünschte bzw. notwendige Betreuungsumfang seitens des OEM muss beleuchtet werden.

Als nächstes werden Fokusthemen für die Partnerbewertung definiert. Dabei werden bewertungsrelevante Dimensionen abgeleitet und ein erstes Grobkonzept bzw. Blueprint erstellt. Relevante Dimensionen können zum Beispiel das angebotene Serviceportfolio, die Nutzung zur Verfügung gestellter Tools (z.B. Partner-CRM) oder der Trainings- und Ausbildungsstand der Vertriebsmitarbeiter sein.

Anschließend wird alles zusammen in einen Partner-Entwicklungspfad überführt, auf dem eine Partnerklassifizierung etabliert wird (z.B. nach Reifegrad) und die weiteren Entwicklungsprozesse klar definiert sind. Des Weiteren müssen für das Rating-Modell noch die Bewertungsmethodik (Datenbasis, Einschätzung, Audit), Bewertungsfrequenz (jährlich, quartalsweise etc.) sowie Umfang (alle oder nur selektierte Partner) festgelegt werden.

Der vierte und letzte Schritt des Konzeptes ist die Durchführung der Testphase mit ausgewählten Partnern. Dies dient als Proof-of-Concept und ermöglicht ggf. die Feinjustierung des Ansatzes, bevor dieser ganzheitlich ausgerollt wird. Bei der Durchführung des Ratings sollte stets darauf geachtet werden, dass Subjektivität umgangen und möglichst auf objektive und automatisiert messbare Kriterien gesetzt wird.

1. Aufnahme Status quo

Um ein Partnerbewertungsschema aufzubauen, ist es notwendig zu Beginn ein Zielbild zu definieren. Dafür muss der OEM sich beispielhaft überlegen, welche Eigenschaften einen Partner auszeichnen, welche Produkte der Partner anbieten sollte und welche Informationen vom Partner eingefordert werden. Im Anschluss sollte die Erhebung des Ist-Zustandes erfolgen.

Um den Status quo im Partnermanagement zu analysieren, muss das Unternehmen u.a. folgende Fragen beantworten:

  • Wie werden die Partner stand heute klassifiziert?
  • Mit welchen Tools arbeiten die Partner?
  • Welche Informationen werden bereits heute geteilt?
  • Welche Produktbereiche werden abgedeckt?
  • Wie unterstützen wir heute unsere Partner?

Nachdem der Ist-Zustand festgehalten wurde, kann ein Abgleich mit dem Zielbild erfolgen, aus dem sich die Anforderungen und Maßnahmen an die Partner ableiten.

2. Ableitung Fokusthemen für Partnerbewertung

Nach der grundsätzlichen Aufnahme des Status quo muss sich der OEM die Frage stellen, welche Dimensionen man für das Rating-Modell heranziehen möchte. Dabei stellen Dimensionen einen übergeordneten Bereich dar, der durch konkrete Auswahlkriterien messbar gemacht wird.  Ein Beispiel für eine Dimension wäre der Punkt Servicequalität, der anschließend durch Auswahlkriterien wie Anzahl oder Qualifikation der Servicetechniker bewertet wird.

Weitere relevante Dimensionen könnten zum Beispiel Punkte sein wie:

  • Leistungsangebot
  • Vertriebsperformance
  • Serviceportfolio
  • Schulung & Ausbildung
  • Gewährleistungsprozess
  • Ersatzteile und Zubehör

Die beschreibenden Auswahlkriterien sollten natürlich sinnvoll gewählt werden und auch nicht zu umfangreich sein. Zudem sollten sie möglichst objektiv und am besten automatisiert erheb- und messbar sein, damit die Partnerbewertung mit einem überschaubaren Aufwand erfolgt. Die Bewertung der einzelnen Kriterien und Dimensionen mündet schließlich in einen gewichteten Score, der aufgeteilt nach Dimensionen die wichtigsten Handlungsfelder aufzeigt.

3. Überführung in den Partner-Entwicklungspfad

Auf Basis der erreichten Scores pro Dimension leitet sich der Reifegrad sowie die Klassifizierung der Partner ab – je höher der Punktwert, desto höher der Reifegrad bzw. desto stärker erfüllt der Partner das formulierte Zielbild.

Abbildung 2: Ableitung des Reifegrads im Scoring-Modell.

Beim Scoring bzw. der Ableitung des Reifegrads können zwei Methoden zum Einsatz kommen:

  • Scoring Modell: Jedes Kriterium erhält eine Ausprägung (ja/nein vs. 1-10) sowie eine Gewichtung. Somit kann für jede Dimension ein Erfüllungsgrad berechnet werden.
  • Ausschlusskriterien: Es gibt bestimmte Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit ein Partner einen bestimmten Reifegrad erreicht.

Für die operative Implementierung der Partnerbewertung sollte die Methodik in ein leicht- und für jeden verständliches, einfach zu handhabendes (Online / Excel-) Tool mit Checklisten-Charakter überführt werden.

4. Testphase & Implementierung

In der Testphase erfolgt die Verprobung des Konzepts zusammen mit ausgesuchten Pilot-Partnern. Gemeinsam sollte der Nutzen nicht nur für den OEM, sondern insbesondere aus der Perspektive des Partners bewertet werden. Bedenken oder Defizite sollten klar adressiert und notwendige Anpassungen beschlossen werden, um die Akzeptanz auch bei den verbleibenden Partnern im Roll-out zu erreichen.

Wichtig ist ein Vorgehen, das mit gemeinsamen Zielen, konkreten Handlungsempfehlungen und einem Umsetzungsplan endet, der sowohl vom Partner als auch vom OEM akzeptiert sowie systematisch nachverfolgt wird. Hierfür sollten ausreichend Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden, damit der Prozess auch die erhoffte Wirkung erzielt.

 

Fazit

Ein systematisches Vertriebs- und Servicepartner Rating bietet OEMs die Möglichkeit, das höchste Level an Qualität, Service und Zuverlässigkeit zu gewährleisten.  Dafür ist es essenziell die Performance von Vertriebs- und Servicepartnern möglichst objektiv und automatisiert zu benchmarken und zu bewerten.

Unser 4 Schritte-Modell zeigt auf, wie OEMs ein individuelles Partnerbewertungsschema konzeptionell aufbauen und operativ implementieren können, um den eigenen Anspruch im Markt und bei den Kunden sicherzustellen.

 

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