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ImpulsLetter Q1 2020

Abstract

Unternehmen in gesättigten Branchen ringen oftmals um ihre Zukunft. Eine „weiter so, nur besser“-Strategie verspricht künftig nicht mehr die steigenden Umsätze. Ein neues Denken ist erforderlich, außerhalb der Komfortzone.

Für einen nachhaltigen Erfolg von Produktherstellern, gerade in stagnierenden Märkten, ist die Transformation zum Serviceanbieter in den meisten Fällen der einzige Schritt, den Niedergang mit wehenden Fahnen abzuwenden. Der ADVYCE Geschäftsmodellansatz der Servicetransfor­mation ermöglicht es, diesen Prozess ganzheitlich zu modellieren, mögliche strategische Entwicklungsfelder aufzuzeigen und bietet die Grundlage für zielgerichtete Handlungsimplika­tionen.

Nicht gesättigte Märkte? Gibt es doch gar nicht!

Unternehmen sind bestrebt, ihre Produkte und Dienstleistungen bestmöglich zu vermarkten und ihren definierten Wettbewerbsvorteil kon­sequent zu platzieren, um erfolgreich wachsen zu können.

Theoretisch logisch, aber einfach ist dies in der praktischen Umsetzung nicht, schon gar nicht, wenn man es mit gesättigten Marktstrukturen zu tun hat. Mit einem Produkt in einem wach­senden Markt präsent zu sein, ist keine große Managementherausforderung. Man reitet ein­fach eine Welle, die alle Teilnehmer trägt. Aber jetzt mal ehrlich: wo gibt es das noch?

In der westlichen Welt existiert in fast allen Be­reichen zu einem gewissen Grad eine Sättigung. Die Märkte für trinkbares Wasser, Limonade oder Bier sind beispielsweise beim Angebot längst auf der Höhe der Nachfrage (wenn nicht sogar höher). Genauso kann das Marktpotential und -volumen im Bereich der Telekommunikati­onsbranche auf einer Ebene angesehen werden. Der jeweilige Reife- oder Sättigungs­grad eines Marktes kann berechnet werden, indem die existierende Nachfrage (Marktpoten­tial) mit dem existierenden Angebot (Markt­volu­men) verglichen und in Beziehung gesetzt wird. Erreicht das Angebot das gleiche Niveau wie die Nachfrage, ist ein Markt gesättigt.

Eine Marktsättigung entsteht dieser Logik zu­folge durch einen starken Anstieg des Produktionsvolumens oder durch eine sinkende Nachfrage bei gleichbleibendem Niveau des Produktionsvolumens. Ein Wachstum der eige­nen Umsätze ist dann nicht mehr ohne proaktives Management möglich.

Das Erschließen zusätzlicher Wachstumspoten­ziale in einem weitgehend stagnierenden Markt erfordert mitunter rigorose Veränderungen des bestehenden oder die Etablierung eines neuen Geschäftsmodells. Wir wollen hier einen Ansatz näher beleuchten, welcher jedem Unterneh­menslenker als eine Art Leitfaden dienen kann, wie in gesättigten Märkten zusätzliche Umsatz­potentiale generiert werden können.

Limitierungen überwinden

Wir haben eine Vielzahl von Unternehmen unterstützt, die uns mit der Fragestellung kon­frontiert haben: „Wie und wo können wir mehr Umsatz machen?“ Sehr schnell ist man mit den eigenen Limitierungen beschäftigt, insbeson­dere jenen, die nicht finanzieller Natur sind. Diese limitierenden Parameter überwinden zu helfen, ist mittlerweile Kernbestandteil unserer externen Unterstützung und steht zunächst an erster Stelle.

  1. Gemeinsam getragene Stoßrichtungen durch das Management

Das Management insgesamt erkennt geschlossen die Handlungsnotwendig­keit, neue Erlösquellen im stag­nierenden Markt zu erschließen. Die Beantwortung der Fragestellung über das wie, wann und wodurch mün­det oft in zermürbende Sitzungen und er­gebnis­offenen Diskussionen. Die Ge­schlossenheit des Managements her­zustellen ist von allen Voraussetzun­gen die Wichtigste, denn das Management muss die anstehenden Veränderungen vertreten und glaub­haft vertreten. An dieser Stelle hilft eine geleitete Moderation durch einen ex­ternen Begleiter.

  1. Die Mitarbeiter mitnehmen

Oftmals sind Strukturen, Führungsprin­zipien und auch die Unter­nehmens­kultur der limitierende Faktor. Ein­ge­fahrene Pfade oder die „comfort zone“ zu verlassen erfordert ein generelles Umdenken aller Mitar­beiter in dem Unternehmen. Hier muss eine einfache aber klar formulierte Change-Story spielerisch abbilden, was die neuen Horizonte des Unterneh­mens sein können. Ein positiv verlaufender Ver­änderungsprozess wird durch ge­steuerte Kommunikation mittels unter­schiedlichster Formate ge­tragen. Auch hierfür kann externe Expertise ein wesentlicher Erfolgsfaktor sein.

  1. Zeit- und Kapitalressourcen

Wer neue Erlösquellen erschließen möchte, muss erst mal viel Geld in die Hand nehmen. Gepaart mit der zur Ver­fügung stehenden Zeit, bis neue Erlös­quellen erschlossen werden müs­sen, spannen diese Faktoren einen Hand­lungs­rahmen auf, den es zu be­rücksichtigen gilt. Daher ist die detaillierte Zeit- und Finanzplanung richtungsweisend für alle weiteren Be­mühungen: Finanzierung aus Eigenmit­teln, Fremdfinanzierung, Fi­nanzierung mit Partnern etc.. Hierzu müssen frühest­möglich entsprechende Rah­men­bedingun­gen geschaffen wer­den, damit im weiteren Verlauf der Identi­fikation und Erschließung weite­rer Erlösquellen keine Utopien verfolgt und kostbare Ressourcen verschwen­det werden.

Die ADVYCE Geschäftsmodell­matrix

Zur Moderierung der Frage nach zusätzlichen Erlösquellen gibt es in der Managementliteratur eine Reihe von Ansätzen und Modellen:

Ansoff Matrix, Business Model Canvas, St. Galler Strategiemodell etc. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass für die Moderation eines Ent­wicklungsprozesses für neue Erlösquellen, aufbauend auf im Unternehmen bereits existie­renden Produkt-Markt-Konstellationen, die bisherigen Modelle zu ungelenk sind. Erstens sind sie zu „digital“ im Sinne von „ja oder nein“. Zweitens berücksichtigen sie zu wenig neue Möglichkeiten der Digitalisierung und der Glo­balisierung (grenzüberschreitende Partner­schaften, globale Wertschöpfungskette). Drittens werden die Potenziale, die sich aus der Dienstleistung erschließen lassen, nicht von vornherein integriert.

All diese Modellschwächen haben wir aufgegrif­fen und in einem pragmatischen Modell be­rücksichtigt (Abb. 1).

 

Abbildung 1 Die ADVYCE Geschäftsmodell-Matrix.

  1. Produktorientiertes Modell

Der Hersteller entwickelt, baut und verkauft seine Produkte. Der Umsatz wird im Moment des Verkaufs generiert. Der Maschinenbauer schließt möglicherweise noch einen Wartungs­vertrag ab und kann sich jährlicher, zusätzlicher Erlösströme aus Dienstleistung in Höhe von ca. 3-8% des Produktumsatzes erfreuen. Das Pro­dukt ist weder individualisiert noch bindet der der Hersteller weitere Partnerangebote in sein Produkt ein. Klassisches „Make & Sell“!

In einem stagnierenden Markt ist weiteres Wachstum nur möglich, wenn andere Hersteller verdrängt werden – Preiserhöhungen mal aus­geschlossen. Möglich und machbar. Inno­vationen, die im Vergleich zum Wettbe­werb das Produkt attraktiver machen, sind hier die Direktive, um den eigenen Marktanteil zu erhöhen. Dies ist eine absolut valide Wachs­tumsstrategie. Apple macht es vor: der Markt für Smartphones ist weitgehend gesättigt, die Neukundenquote sinkt von Jahr zu Jahr. Den­noch gelingt Apple in diesem gesättigten Markt ein Wachstum, weil es die Instrumente des Marketing-Mix vollkommen auf Kundenbin­dung einerseits und auf Kundengewinnung (vom Wettbewerb) ausgerichtet hat. Mit schrittweisen Produktinnovationen streut Apple gezielt neue Kaufanreize bei eigentlich recht langlebigen Gütern wie Laptops oder iPhones, bei denen der Produktlebenszyklus nicht zwangsläufig am natürlichen Ende ange­langt ist. Vielmehr versucht das Unternehmen, die künstliche Verkürzung des Produktlebens­zyklus alter Modelle durch die jährliche Neueinführung von aktuelleren Modellen vor­anzutreiben. Wir werden Apple später noch­mal in einem anderen Modell begegnen, welches auch grandios durch dieses Unterneh­men bespielt wird.

  1. Dienstleistungsorientiertes Modell

Bei diesem Modell ist es dem Hersteller gelun­gen, einen Kundennutzen in Form einer Dienst­leistung bereit zu stellen. Diese Art von Dienstleistungen gehen über die produktnahen Dienstleistungen wie Wartung und Reparatur eines zugehörigen Stammproduktes hinaus (diese ordnen wir dem produktorientierten Modell zu). Vielmehr werden in diesem Bereich solche Dienstleistungen verortet, die dem Kun­den über das Produkt hinaus einen Nutzen stiften, z.B. in Form von Beratungsleistungen oder Softwareapplikationen. Ein gutes Beispiel für ein sehr breites Repertoire an derartigen Dienstleistungen ist bei HILTI zu finden: Soft­ware für Befestigungssysteme, Software für Messgeräte, Software für Dübel-Belastungsver­suche oder Software für Building Information Modelling. Sehr interessant ist auch das Flot­tenmanagement von HILTI. Der Begriff spiegelt nicht ganz wider, was sich dahinter verbirgt, denn im Grunde ist es Equipment as a Service (EaaS): ein Bauunternehmen zahlt für seinen gesamten Bestand an HILTI-Produkten eine mo­natliche Gebühr, das Eigentum an den Geräten verbleibt bei HILTI. Dafür werden Wartung, Re­paraturen, Austausch auf der Baustelle sowie predictive Maintenance komplett von HILTI übernommen. Über eine App kann man sich ei­nen kompletten „Lagebericht“ der Geräte auf einer Baustelle ansehen und diese auch jeder­zeit lokalisieren. Der Produktumsatz wurde hierbei durch einen Dienstleistungsumsatz er­setzt. Diese Dienstleistungsverträge haben Laufzeiten i.d.R. zwischen 3 und 7 Jahren, daher kann sich HILTI auch in konjunkturschwachen Phasen auf wiederkehrende Erlösströme verlas­sen. Oder: John Deere und Claas haben im Rahmen von Farming 4.0 neue Services und Funktionen bereitgestellt, die den Nutzern echte Effizienzsteigerungen in der Bewirtschaf­tung Ihrer Anbauflächen ermöglichen. Mit der heute verfügbaren IT-Technologie ist es mittler­weile möglich, alle relevanten Systeme (das Produkt selbst, Produktionssysteme, Logistik­systeme, Softwareanwendungen, Dienste, etc.) miteinander zu vernetzen. Informationen und Daten können zwischen Kunden, Entwicklung, Produktion, Service, Partnern und Lieferanten ausgetauscht werden. So lässt sich aber nicht nur das Leistungsangebot verbessern. Auch können Informationen aus der Produktnutzung entsprechend in der Entwicklung oder im Ser­viceangebot nutzenbringend verwendet wer­den. So lassen sich die Sensor-Daten und Pro­tokoll­daten von Produkten nutzen, um den Einsatz des Produktes zu verbessern. Manchmal ergeben sich Nutzenpotentiale, in dem diese In­formationen mit anderen verfügbaren Daten abgeglichen werden. Diese enge Verzahnung mit den Kunden mittels Software und Applikati­onen bildet eine hervorragende Plattform, um im Zuge der weiteren Digitalisierung und Tech­nologieentwicklung zusätzliche Dienste zu ent­wickeln und anzubieten. Der Produktmarkt mag stagnieren, das Spektrum an möglichen Dienst­leistungen muss dabei noch lange nicht aus­geschöpft sein.

„Die Erweiterung des Leistungs­angebots der Unternehmen um Services oder gar die Transforma­tion des produktorientierten Modells in ein Dienstleistungsmo­dell bietet eine Steigerung und Stabilisierung des Umsatzes.“

  1. Systemorientiertes Modell

Im systemorientierten Modell verbleibt der Hersteller überwiegend in der Produktwelt, er rundet sein Angebot allerdings über Partner­schaften zu einem „Produkt-System“ ab. Es wird ein komplettes Leistungsbündel aus einer Hand angeboten, das inhaltlich mit dem Produkt zu­sammenhängt und dem Kunden eine tech­nische Infrastrukturlösung bereitstellt. Durch eine kooperative Anbietergemeinschaft bietet der Systemlösungsanbieter dem Kunden zu­sätzlich zu seinem Einrechnungsgeschäft eine Leistungsgarantie, auch auf Fremdprodukte.

Dies kann am Beispiel der GEA Farm Technolo­gies verdeutlicht werden: das herkömmliche Produkt der GEA Farm Technologies sind Melk­maschinen. Durch die kooperative Anbieter­gemeinschaft, in der GEA als „General­unter­nehmer“ auftritt, bezieht der Landwirt aus den Bereichen Milchproduktion, Gülletechnik sowie Stalleinrichtungen und automatischen Fütter­ungs­systemen ein Komplettangebot mit Ein­rechnungs­geschäft inklusive Garantieab­wicklung. Der Systemlösungsanbieter, mit pri­märer Wertschätzung auf die Dienstleistung, erweitert dieses Angebot mit einer Leistungsga­rantie und verkauft dem Kunden nicht mehr das Produkt, sondern die Leistung. Durch diesen Schritt stärkt der Anbieter den Zugang zum Kun­den, da er den alleinigen Ansprechpartner für den Kunden darstellt.

  1. Wertschöpfungsorientiertes Modell

Im wertschöpfungsorientierten Modell werden alle Ansätze des der Produkt-, Systemlösungs- und Dienstleistungsanbieter vereint. Dieser bie­tet dem Kunden neben der Planung, der Produktion und Finanzierung des Gesamtpro­dukts ebenso auch den Betrieb (und die Vermarktung) der Leistung an. Beispiele für die­ses Modell sind in der Automobilindustrie die Übernahme der kompletten Lackierstraßen oder der Elekrohängebahnen durch externe An­bieter. Beim wertschöpfungsorientierten Modell verändert sich die tradierte Kunden-An­bieter-Beziehung und der Anbieter agiert als Partner für einen Teil der kundenseitigen Wert­schöpfung. Dadurch verspricht sich der Anbieter eine langfristige Zusammenarbeit so­wie einen nachhaltigen Erfolg. Gleichzeitig fokussiert sich der Anbieter auf einige wenige Kunden und ist somit von deren Markt- und Branchenzyklen sowie deren Erfolg stark abhän­gig. Dem Kunden ermöglicht dieses Geschäfts­modell allerdings eine noch bessere Kon­zen­tration auf seine Kernkompetenzen.

Eine interviewbasierte Blitzumfrage bei ausge­wählten Kunden zu ihren Erfahrungen der letzten 5 Jahre mit der Erweiterung ihres tradi­tionell stark produktorientierten Geschäfts-modells um weitere Modelltypen hat zwar kei­nen Anspruch auf statistische Validität, sie zeigt aber in diesen Einzelfällen sehr interessante Entwicklungen in den EBIT-Margen (Abb. 2). Wir erlauben uns zumindest die Hypothese aufzu­stellen, dass diese Margen-Effekte auch durch den Mix der Geschäftsmodelle verursacht wur­den. Dies gilt es noch zu verifizieren.

Abbildung 2 Umsatzverteilung je Hersteller nach Geschäftsmodell1 / EBIT-Margenbetrachtung (in %)2, 5 Jahres-Betrachtung.

FAZIT

Die oben dargestellten Optionenräume stehen grundsätzlich jedem Hersteller offen. Mittels ei­ner ADVYCE Workshop-Reihe zusammen mit dem Kunden können die wesentlichen und viel­versprechendsten Ansätze herausgearbeitet werden und damit die Basis für vertiefende und weiterführende Entwicklungsarbeit ermöglicht werden. Zusätzliche Umsätze im Dienstleis­tungsgeschäft zu generieren ist ein Prozess. Dieser erfordert eine Initialzündung.

Anders als bei kurz­fristig anzusetzenden Rest­rukturierungs- oder gar Sanierungsprojekten, die aufgrund einer schweren Ertrags- bzw. Liqui­ditätskrise erforderlich werden, erfolgt die Initiierung dieses Prozesses, um eine mögliche Umsatzkrise entweder zu vermeiden oder eine bestehende Umsatzkrise abzumildern. Oder aber dieser Prozess wird initiiert, nachdem eine Restruk­turierung erfolgreich abgeschlossen wurde. Denn der Grund für die Restrukturierung ist nicht selten die hohe Abhängigkeit vom exis­tie­renden produktorientierten Geschäftsmodell, welches spätestens dann nicht mehr aufgeht, wenn der Abverkauf der eigenen Produkte auf­grund der letzten Konjunkturflaute oder des insgesamt vollkommen gesättigten Marktes schmerzhaft zurückgeht. Im Idealfall wird dieser Prozess initiiert, solange man sich in strategisch sichererem Fahrwasser befindet. Je nach Um­fang und Art der neuen Erlösquellen können Anpassungen und Investi­tionen in Organisati­onsaufbau, Prozessablauf, Know-How, Partner­management und vor allem Digitalisie­rung erforderlich sein. Derartige Veränderungen sind leichter zu gestalten, wenn das Kernge­schäft solide funktioniert. Ohne die Öffnung hin zur Digitalisierung und zur horizontalen Vernet­zung sind die Möglich­keiten für neuartige Erlös­modelle begrenzt. Dafür bietet bereits der heutige Entwicklungsstand der wesentlichen un­ter­stützenden Technologien (mobiles Internet, IoT, Big Data Analytics, KI) einen komfortablen Handlungsspielraum für neue Modelle. Und die­ser Raum wird immer größer.

Aber die Initialzündung muss durch die Ge­schäftsführung erfolgen.

Marc von Braun

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