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„Cash counts“ – Die Sicherstellung der eigenen Liquidität hat für Unternehmen höchste Priorität

ImpulsLetter Q2, 2020

Abstract

Die teils massiven Umsatzeinbrüche vieler Unternehmen im Zuge der Corona-Krise haben nahezu unmittelbar zu einer starken, manchmal existenzbedrohenden Belastung der Liquidität geführt. Folgerichtig steht die Sicherstellung, beziehungsweise Wiederherstellung der eigenen Zahlungsfähigkeit in der deutschen Wirtschaft ganz oben auf der Agenda und auch Bundes- und Länderregierungen haben mit ihren Unterstützungsmaßnahmen versucht, positive Signale zu setzen. Welche Möglichkeiten aber haben Unternehmen, die eigene Liquidität zu stärken mit Blick nach Innen und Außen? Welche Optionen machen für wen tatsächlich und nachhaltig Sinn und wie sehen erste Erfahrungen im Rahmen des Krisenszenarios aus?

Nicht über einen Kamm zu scheren

Es ist klar, dass die Krise die Branchen mit unterschiedlicher Härte getroffen hat. Während Teile des Handels, die bereits digital top aufgestellt waren als der shut-down kam, nachgerade einen Boom erleben, mussten andernorts Produktionen von einem Tag auf den anderen auf Null gefahren, oder stationäre Verkaufsnetze einfach stillgelegt werden. Besonders hart traf es sicherlich die Automobilbranche, die bereits pre-Corona leichte Umsatzrückgänge zu verzeichnen und insgesamt mit disruptiven Herausforderungen zu kämpfen hatte. Die Lufthansa konnte nur durch massives staatliches Eingreifen vor dem Bankrott gerettet werden und der Flugbetrieb nimmt erst langsam wieder Fahrt auf. Auch Transport und Logistik gehören zu den großen Verlierern, wenn man einmal von den Konsum-Playern absieht, die von einem wahren Boom im Online-Versandhandel profitieren. Die Stahlindustrie wird in einer zweiten Runden durch den Domino-Effekt betroffen, klar: wenn keine Autos gebaut werden, braucht es auch keinen Stahl. Das gleiche gilt für die Chemie- sowie Rohstoffbranchen und auch die Bauindustrie, die auch vermutlich erst später die Folgen der Krise deutlich spüren wird. Im Pharmabereich gibt es Gewinner und Verlierer; erstere, sind diejenigen Unternehmen, die krisenrelevanten Produkte anbieten können, letztere diejenigen, die mit rückläufigen Umsätzen kämpfen, da sie mit ihren Produkten eher im Luxussegment angesiedelt sind. Telekom und Energie verzeichnen teils stärkere Nachfrage, haben aber damit zu kämpfen, die Infrastrukturbereitstellung sicherzustellen und im Energiebereich wird es neben geringerer Abfrage zu beobachten sein, wie die Zahlungsfähigkeit der Kunden sich entwickelt.

Vorrangiges Ziel aller Unternehmen ist es aber, die eigene Liquidität auch nachhaltig zu sichern, um Umsatzrückgänge überbrücken zu können und mit der Zeit die Lücken in der Bilanz wieder zu füllen. Hierfür stehen den Unternehmen klassischer Weise unterschiedliche Instrumente zur Verfügung, die auf beiden Seiten der Bilanz wirken.

Bei der Bewertung der Sinnhaftigkeit dieser jeweiligen Maßnahmen in der aktuellen Situation, sind natürlich unternehmens-individuelle Rahmenbedingungen und Historien wichtig. Generell denken wir, dass insbesondere die Asset basierten Finanzierungsformen Factoring, Finetrading, Lagerfinanzierung und Sale-and-Lease-back für die Mehrzahl der Unternehmen kurzfristig die besten Ergebnisse zeigen werden.

Factoring

Mit der Zahlungsmoral ist es so eine Sache. Heute zahlen Kunden im B2B-Bereich durchschnittlich elf Tage zu spät. Und in der Krise nimmt der Impuls für das pünktliche Begleichen von Rechnungen naturgemäß noch einmal deutlich ab – und dies kann gerade Mittelständler vor erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten stellen. Im Rahmen eines Factorings verkauft ein Unternehmen seine offenen Forderungen an einen Finanzierer. Dieser begleicht die Rechnungsbeträge im Normalfall innerhalb von ein bis zwei Arbeitstagen und übernimmt im Rahmen eines echten Factorings auch das Delkredererisiko. Dies sorgt für Planungssicherheit.

Finetrading

Auch das Finetrading dient vornehmlich der Verstetigung des eigenen Cashflows. Ein Unternehmen muss nicht in Vorleistung treten, wenn es für seine eigene Produktion oder Dienstleistung Rohstoffe oder andere Mittel erwirbt. Der Finetrader kauft als Zwischenhändler die vom Unternehmen benötigten Waren und gewährt dabei ein verlängertes Zahlungsziel von maximal 120 Tagen. Da der Finetrader die Lieferanten umgehend bezahlt, lassen sich Gebühren teilweise durch Skonti und Mengenrabatte gegenfinanzieren.

Lagerfinanzierung statt Kontokorrentkredit

Unternehmen mit großen Lagerbeständen können sich die Lagerfinanzierung durch einen unabhängigen Dritten finanzieren lassen. Mit der Sicherheit des Warenwertes im Rücken, stellt dieser Finanzierer eine Kreditlinie zur Verfügung, deren Konditionen oftmals günstiger sind als bei einem Kontokorrentkredit der eigenen Hausbank.

Sale-and-Lease-back

Neben diesen sinnvollen, bewährten Instrumenten, hat auch der Staat den Unternehmen zahlreiche neue Unterstützungsinstrumente an die Hand gegeben. Unter dem so genannten „Schutzschirm des Bundes“ versammelt sich ein ganzer Kanon von Maßnahmen mit einem Gesamtwert von rund 1,4 Billionen Euro.

Unternehmen müssen nun rasch aus den vorliegenden klassischen und neuen Möglichkeiten eine für Sie passende Liquiditätsstrategie entwickeln, um die Basis dafür zu legen, gesund aus der Krise zu kommen. Natürlich ersetzen diese Maßnahmen nicht die Notwendigkeit, das eigene Geschäftsmodell gerade auf Grundlage der Erfahrungen aus der Corona-Krise zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu justieren. Auch dem Risikomanagement insgesamt kommt eine höhere und andere Bedeutung zu. In unserer pre-Corona Wirtschaftswelt war durchaus Platz für abstrakte Szenarien – solange diese Planspiele kein Geld kosteten und zu Lasten kurzfristiger Profite gingen. Risikomanagement in Zeiten von Corona ist nun eine vollständig andere Hausnummer. Wir müssen Aussagen von Medizin, Epidemiologie, Wirtschaft, Soziologie und Ethik gleichermaßen bewerten und zu einem abgestimmten, konsistenten Meinungsbild konsolidieren. Unternehmensführer sind gefordert auf Basis dieser Erkenntnisse einerseits den Schutz der Mitarbeiter maximal sicherzustellen, Ängste und Sorgen ernst zu nehmen, aber gleichzeitig auch das Unternehmen auf eine Rückkehr zur Normalität vorzubereiten. Diese Normalität wird allerdings eine andere sein.

 

Burkhard Wagner und Jens Wöhler

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