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Impulsletter Q1 2018

Ausgangssituation

Wie kann in kurzer Zeit ein bisher erfolgreiches Geschäftsmodell restrukturiert werden, um sich in einem wirtschaftlichen Umfeld zu positionieren, das sich durch hohe Volatilität und Planungsunsicherheit auszeichnet?

Spätestens seit Fukushima ist klar, dass sich die Energiebranche auf einen Weg begeben hat, der einen fundamentalen Umbruch der bisherigen Branchenlogik bedeutet. Die jüngsten Pläne von E.On und RWE zeigen uns deutlich, dass bisherige Annahmen zur Geschäftsentwicklung neu überdacht werden müssen. Größe allein ist keine Sicherheit mehr.

Der Begriff „to big to fail“ findet in der Energiewirtschaft keine Anwendung mehr. Der Pfad, den die Bundesregierung zur Umsetzung der Energiewende eingeschlagen hat, beschreitet den Weg des sukzessiven Subventionsabbaus. Davon sind nicht nur die großen Energieriesen betroffen, sondern auch die vielen mittelständischen Maschinen- und Anlagenbauer für die Errichtung, den Betrieb und die Wartung von Energieerzeugungsanlagen. Vor allem die von Erfolg verwöhnte Windindustrie muss sich nun neu ausrichten. Das folgende Fallbeispiel erzählt von einer gelungenen Restrukturierung in dieser Branche, deren Dynamik nach agilen Methoden und konsequenter Umsetzung verlangt.

Dabei zählt vor allem eins: Geschwindigkeit! So müssen alle Restrukturierungsaktivitäten vor allem vor dem Hintergrund einer flexiblen Ausrichtung des Geschäftsmodells betrachtet werden. Zwei Erfolgsfaktoren sind essentiell:

  • Die Neuausrichtung des Geschäfts muss so konsequent wie möglich getrieben werden.
  • Der ROI der Umstellung muss sich innerhalb eines Geschäftsjahres einstellen.

Beide Faktoren kombiniert lassen sich nur realisieren, wenn die Restrukturierung nicht allein Sache des Top Managements bleibt. Vielmehr müssen alle Unternehmensteile aus sich heraus ihren Beitrag zur Neuaufstellung liefern.

Der „Product Owner“ definiert den wirtschaftlichen Erfolg (Value Proposition)

Zunächst gilt es ein klares und eindeutiges Signal in die Organisation zu geben. Mit einer deutlichen Botschaft wird das Spielfeld abgesteckt und klar definiert, welche Bereiche sich im Fokus der Restrukturierung befinden und welche Bereiche explizit ausgenommen werden. Diese Transparenz ist von der ersten Minute an relevant und führt in der Regel zu einer Fokussierung der Restrukturierungsaktivitäten und vermeidet eine ablenkende Fairness-Diskussion bei den betroffenen Organisationseinheiten.

Darüber hinaus muss eine Erwartungshaltung an den jeweiligen Restrukturierungsumfang kommuniziert werden. Diese Kommunikation kann nur vom CEO erfolgen.

Je genauer desto besser, in jedem Fall gilt es aber zu berücksichtigen, dass es im weiteren Verlauf stets zu Abschmelzeffekten kommen wird. Auch hier heißt das Gebot der Stunde Transparenz und Klarheit sowie eine kontinuierliche Schärfung der Erwartungshaltung.

In unserem Fall galt es 45 Mio. Euro an Kosteneinsparungen für das kommende Geschäftsjahr zu realisieren. Etwa 50 % mussten über Personalkosten eingespart werden, die andere Hälfte wurden über Produktivitätssteigerungen im Sachkostenbereich avisiert. Insbesondere für den Personalkostenblock musste der Effekt bereits zum Ende des laufenden Geschäftsjahres realisiert sein. Dazu standen gerade einmal vier Monate Zeit zur Verfügung.

Kommunikation ist der Turbolader

Für eine hohe Geschwindigkeit ist viel Energie notwendig, Energie die geladen und kanalisiert werden muss. Kommunikation hat in diesem Zusammenhang in erster Linie die Aufgabe, Umsetzungsenergie freizusetzen. Es gilt eine „Ja, das schaffen wir“-Stimmung zu erzeugen und über die Projektlaufzeit aufrecht zu erhalten. Information ist dabei das Kuppelprodukt und trägt zur Konsistenz der Geschäftsrationale bei. Aber nochmal: die Begriffe „schaffen“ und „wir“ stehen im Mittelpunkt.

Ein wesentlicher Hebel in der Kommunikation in unserem Case bestand in der persönlichen Ansprache durch den CEO. Als Sponsor (Restrukturierung ist stets Chefsache) konnte er den notwendigen Maßnahmen den notwendigen Druck verleihen. Dies wurde mit verschiedenen Formaten kontinuierlich begleitet:

  • Führungskräfte-Dialog
  • Persönliche Town-Hall Meetings an mehreren Standorten
  • Intranet-Kommunikation
  • Q&A Portal für die Belegschaft
  • Coaching durch die Personalberater

Grundlage hierfür sind stets konsistente Markt-Rationalen und die adressatengerechte Aufbereitung. Sie erzeugen Verständnis und Akzeptanz in den Teams und motivieren kontinuierlich die erforderlichen Teilnehmer zur erfolgreichen Umsetzung.

Abgestimmte Sprints setzen den Takt

Sprints – im Sinne eines agilen Ansatzes – versetzen alle beteiligten Parteien in einen gemeinsamen Takt. Hier wird sichergestellt, dass es im Sinne des Gesamtprogramms keine Ausnahmen gibt. Besonders wichtig dabei ist der Zyklus der Sprints. Länger als eine Woche sollte im Fall einer Restrukturierung kein Zyklus dauern. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe:

  1. Über kurze Zyklen kann schneller identifiziert werden, an welcher Stelle ein Programmrisiko liegt. So stets mehr Zeit zur Eskalation und Reaktion zur Verfügung
  2. Der Marktdruck zur Veränderung kann kontinuierlich hochgehalten werden.

In unserem Fall haben wir die Sprints entsprechend kurzzyklisch gesetzt. Zum Ende einer jeden Woche waren wir in der Lage, einen abgestimmten Status und ein lauffähiges Ergebnis zu konsolidieren. Tägliche Stand-ups synchronisierten die laufenden Aktivitäten. Auf diese Weise waren wir stets in der Lage entsprechende Informationen in die personalwirtschaftlichen Verhandlungen zu geben.

So konnten wir auch in den Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretungen den notwendigen Umsetzungsdruck erzeugen und die zur Verfügung stehende Zeitstrecke bestmöglich nutzen. Hätten wir die Sprints länger angesetzt, wäre der Umsetzungszeitraum überproportional länger geraten.

Selbstorganisierte Restrukturierungsteams

Um maximale Agilität entfalten zu können müssen die Restrukturierungsteams in die Lage versetzt werden, sich selbst für die Zielerreichung zu organisieren. Für die Validierung der Einsparpotentiale sind dabei stets drei Fragen zu bearbeiten:

  • Was ist für die Erfüllung der Kundenerwartung und der resultierenden Marktleistung zwingend erforderlich und was nicht?
  • Wie können die dazugehörigen Prozesse so umgebaut werden, dass der Output maximal effizient erzeugt wird?
  • Welche Kompetenzen sind dafür erforderlich?

Ziel muss stets sein, eine Organisation (Ablauf- und Aufbauorganisation) zu schaffen, die mit entsprechend weniger Kosten die geforderte Marktleistung erzeugt. Dabei gilt es, jede Einsparung mit Hilfe einer konkreten und umsetzbaren Organisationsmaßnahme zu hinterlegen und so zu beschreiben, dass sie in einer Verhandlung mit dem Betriebsrat Bestand hat. Hier ist stets das Gemba-Prinzip zu empfehlen. Es heißt also in diesem Kontext: Kenne die Prozesse im Detail und gestalte so konkret wie möglich. Nur in agilen und selbstorganisierten Teams, die in Eigenverantwortung entscheiden, wie tief in die Organisationsgestaltung eingetaucht werden muss, lässt sich dieses Prinzip realisieren.

Im beschriebenen Fall konnten wir eine Organisation mit rund 3.500 MA mit über 150 Organisationsmaßnahmen mobilisieren und in eine neue Struktur mit einer entsprechend geringeren Strukturkostenbasis bewegen.

Die Restrukturierungsteams haben sich in zwei übergreifenden, immer wiederkehrenden Loops synchronisiert und sichergestellt, dass die formulierten Maßnahmen nicht widersprüchlich verlaufen:

  • Der Organisations-Loop,
    in dem die Makro-Organisation und die resultierenden organisatorischen Gestaltungsprinzipien kontinuierlich verprobt wurden und notwendige übergreifende Abstimmungen erzeugt wurden
  • Der Verhandlungs-Loop,
    in dem das Verhandlungsteam die personalwirtschaftliche Anpassung vorbereitet und verhandelt hat. Aus diesen Verhandlungsrunden konnten notwendige Anpassungen für die weitere Vorgehensweise formuliert und in die Restrukturierungsteams kommuniziert werden.

Change Management ist Umsetzung und Umsetzung ist Change Management

Eine Restrukturierung ist nur dann vollständig, wenn die Organisation mit einer angepassten Kostenstruktur besser funktioniert als vorher. Damit die Phase der Verstetigung neuer Prozesse und Rollen so kurz wie möglich dauert, ist wiederum auf maximale Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu setzen. Die gemeinsame Umsetzung neuer Strukturen ist der beste Weg, schnell produktiv zu werden.

Die Restrukturierungsteams und die zukünftigen Führungskräfte spielen hier eine zentrale Rolle. Sie stehen als Sparringpartner für die Etablierung neuer Abläufe zur Verfügung und können bei der Entwicklung eines fortgeschrittenen Reifegrads unterstützen. Aber die Umsetzung ist Sache der beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Selbstorganisation im täglichen Geschäft ist ein patentes Rezept.

Dabei ist die kritische Auseinandersetzung mit neuen Rollen und angepassten Prozessen in der Restrukturierungsphase überlebenskritisch.

Wie schon Prof. Kruse aus Bremen treffend gesagt hat: Stillstand erreichen Sie am besten dann, wenn Sie schnelle Entscheidungen erzeugen und im Nachgang alles wieder infrage stellen. Es hilft also nichts: seien Sie ehrlich zu sich selbst und fördern Sie diesen Diskurs.

Fazit

  • In vier Monaten konnten wir rund 45 Mio. Euro Strukturkosten P&L-wirksam reduzieren
  • Der ROI der Restrukturierung lag unter 0,6 Jahren
  • Die Verhandlungen mit den Arbeitnehmergremien und die Wahl der personalwirtschaftlichen Instrumente waren integraler Bestandteil des Projektumfangs
  • Die zu Beginn den Aufsichtsgremien kommunizierte Zeitstrecke konnte in allen Meilensteinen eingehalten werden
  • Die Organisation läuft stabiler als zuvor

Aurel Graf von Bassewitz

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