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Vom Aufbau bis zur regelbasierten und KI-unterstützen Umsetzung

Im Zeitalter von teils radikalen Veränderungen und permanenter Turbulenzen ist es für Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau unerlässlich, neue Wege zu beschreiten, wollen sie sich erfolgreich am Markt behaupten. Eine vielversprechende Möglichkeit ist der proaktive Servicebetrieb, der oft noch unzureichend genutzt wird. Ein optimales Verkaufskonzept für die Servicemannschaft unterstützt bei der frühzeitigen Identifizierung von Bedürfnissen der Kunden und kann so – auch bei schwächerer Konjunktur – negativen Geschäftsentwicklungen entgegenwirken. Der vorliegende Impulsletter richtet sich an Serviceleitende und Führungskräfte aus dem Maschinen- und Anlagenbau – der Grundgedanke für Vertrieb und Service ist aber auch in andere Branchen übertragbar.

Service Strategie-Haus und Einordnung des Themas „Service Sales“

Das Advyce & Perlitz Service-Strategiehaus hat sich als effektives Werkzeug zur Entwicklung und Steuerung der strategischen Ausrichtung im Service bewährt. Ausgangspunkt ist die Definition der Servicestrategie zusammen mit der Festlegung klarer Leitplanken. Dieser Schritt umfasst die Festlegung von Zielen, die Erarbeitung und Formulierung des Selbstverständnisses im Service sowie der angestrebten Meilensteine innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens.

 

Abbildung 1: Service-Strategiehaus.

Service Sales und Service Performance sind die beiden wesentlichen Pfeiler des Service: Im Service Sales geht es darum, das Leistungsangebot des Unternehmens zu definieren und gezielt an die „richtigen“ Kunden zu verkaufen. Eine proaktive Herangehensweise ist von essenzieller Bedeutung. Service Performance hingegen bezieht sich auf die Erbringung des Service mit höchster Qualität, Zuverlässigkeit und innerhalb des festgelegten zeitlichen Rahmens, um die Erwartungen der Kunden zu erfüllen. All diese Aspekte werden von der Serviceorganisation getragen. Die Aufbauorganisation umfasst die Bereitstellung von ausreichendem und qualifiziertem Personal sowie die entsprechenden Schulungen. Die Ablauforganisation beinhaltet die Definition von Prozessen und den Einsatz geeigneter Systeme und Tools, um die Serviceleistungen effizient zu erbringen.
Zusätzlich ist eine effektive Steuerung erforderlich, um sicherzustellen, dass alle Aktivitäten und Initiativen auf Kurs bleiben und die angestrebten Ziele erreicht werden. Durch die Anwendung des Service-Strategiehauses können Unternehmen systematisch ihren Service optimieren und ihre Serviceabteilung in die Lage versetzen, die Bedürfnisse der Kunden frühzeitig zu erkennen und proaktiv zu bedienen. Was genau verstehen wir nun unter proaktivem Verkauf?

Abgrenzung: Reaktiv, Aktiv, Proaktiv

Wendet sich ein Kunde mit einem Anliegen oder Bedarfsfall an das Unternehmen, reagiert die Organisation und handelt somit reaktiv. Ein solcher Kontakt kann beispielsweise über eine Service-Hotline entstehen, aber ebenso über die Kunden-initiierte Inanspruchnahme von Leistungen, wie die Anfrage von benötigten Ersatzteilen oder die Durchführung einer Wartung. Die Organisation geht nicht aktiv auf den Kunden zu, sondern nimmt die Rolle einer ‘Auftragsannahmestelle’ ein und nicht die eines Vertriebs. Den tatsächlichen Vertrieb kann man in ‘aktiv’ und ‘proaktiv’ unterteilen: Aktiv bedeutet vor, nach oder während einer Anfrage bzw. bei kurzfristig identifizierten Bedarfsfällen zu handeln. Proaktivität hingegen zeichnet sich durch die frühzeitige Planung und Durchführung von Maßnahmen aus, um künftigen Problemen vorzubeugen bzw. mögliche Bedarfsfälle frühzeitig zu identifizieren. Predictive Maintenance ist ein Beispiel für die frühzeitige Erkennung möglicher Problemfälle. Ist ein solcher erkennbar, sollte der Kunde proaktiv angesprochen und eine Lösung angeboten werden. Um im Service zu einem proaktiven Vertriebsansatz zu kommen ist aus unserer Erfahrung die gezielte Beantwortung der folgenden fünf Fragen bzw. Bearbeitung der genannten Schritte notwendig:

Was kann ich heute und in Zukunft meinen Kunden anbieten? – Definition und aktive Kommunikation des Service-Portfolios
Wem kann ich meine Produkte und Services anbieten? – Systematische Identifikation der relevanten Kunden und Maschinen
Wieviel Potenzial haben meine Kunden auf Basis ihrer eingesetzten Maschinen? – Priorisierung der Kunden und Handlungsfelder
Wer hat Zugang zu den Kunden? – Definition der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisation und Berücksichtigung der Schnittstellen zwischen Neuverkauf und Service für eine orchestrierte und auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnittene Ansprache
Wie komme ich vom theoretischen Potenzial zur praktischen Umsetzung? – Definition der Prozesse und Aufbau einer Systematik zur proaktiven Identifizierung und Bearbeitung von Bedarfsfällen

Abbildung 2: Überblick Methodik.

Ein Beispiel für proaktives Handeln im Service ist die Ansprache des Kunden noch vor Ablauf der Gewährleistung einer Maschine, wenn für diese bisher kein Servicevertrag abgeschlossen wurde. Insbesondere wenn der Kunde gesetzliche Auflagen für eine jährliche Sicherheitswartung zu erfüllen hat, kann man so möglichen Angeboten von (freien) Wettbewerbern entgegenwirken. Doch wie weit sind die Unternehmen heute in der Verfolgung eines proaktiven Vertriebsansatzes im Service?

Stand heute im Maschinen- & Anlagenbau

Im Rahmen meines Vortrags zum Thema „Professioneller Servicebetrieb – Aktiver Service Sales entlang des Lebenszyklus der Maschine“, auf dem Maschinenbauforum in Pforzheim am 20. Juni 2023 hatte ich die Möglichkeit, neben meiner Erfahrung aus Service und After Sales Projekten einen Überblick über den aktuellen Stand der Branche zu gewinnen. Die repräsentative Stichprobe von 80 Fachleuten lieferte folgende Erkenntnisse:

 

Erkenntnis 1: Weniger als die Hälfte der befragten Teilnehmenden agieren aktuell proaktiv im Serviceverkauf abseits des Neumaschinenverkaufs. Etwas mehr als 40% tun dies situativ und immerhin 13% verkaufen gar nicht aus dem Service heraus.

 

 

 

Erkenntnis 2: Die Datenqualität als Basis für die (automatisierte) Identifizierung möglicher Potenziale wird nur von 20% als sehr gut bis gut eingestuft. Die Hälfte der Teilnehmenden sieht sich diesbezüglich im mittleren Bereich – 30% müssten nachsitzen.

 

 

 

Erkenntnis 3: Nur 17% der Teilnehmenden leiten modellbasiert aus Daten Potenziale ab – was auch der genannten mangelnden Datenqualität geschuldet sein kann. 40% der Teilnehmenden arbeiten gar nicht mit ihren Daten zur Potenzialidentifizierung.

 

 

 

Erkenntnis 4: Ein knappes Drittel der Teilnehmenden gibt an, dass überhaupt klar definiert ist, wer welchen Kunden zu welchem Thema anzusprechen hat. Bei den verbleibenden Unternehmen sind die Aufgaben und Verantwortlichkeiten nur teilweise oder gar nicht definiert.

 

 

Erkenntnis 5: Die proaktive und automatisierte Identifizierung möglicher Potenziale und Bedarfsälle geschieht nur bei den wenigsten Unternehmen – gerade einmal 7% konnten diese Frage mit „ja“ beantworten.

 

Automatisierte Identifizierung von Potenzialen – ein Fall für KI?

Die Umfrage zeigt, dass die automatisierte Aufdeckung von Potenzialen für viele Unternehmen noch Neuland ist, das Thema Künstliche Intelligenz kaum berührt wird. Dabei können regelbasierte Vertriebsprozesse relativ einfach etabliert werden: Bereits zuvor wurde die Kontaktaufnahme mit dem Kunden z.B. 3 Monate vor Ablauf der Gewährleistung angesprochen. Die Kontaktaufnahme beinhaltet die Empfehlung eines Servicevertrages, um kostenpflichtige Reparaturen zu umgehen oder Sicherheit für Mensch und Maschine durch Wartungen zu gewährleisten. Es kann regelbasiert und automatisiert hierzu eine Kampagne, Opportunity oder Aufgabe für die definierte Person im CRM hinterlegt werden.
Der Einsatz von KI kann nützlich sein, um über das regelbasierte Vorgehen hinaus Muster zu erfassen, zu untersuchen und eigenständig die richtigen Angebote zur passenden Zeit den relevanten Kunden zuzuordnen. Problematisch kann es sein, dass die aufgedeckten Muster nicht immer einen kausalen Zusammenhang haben, was die Interpretation erschwert. Somit entstehen bei reinen KI-Logiken häufig Akzeptanzprobleme. Eine neue Technologie, die für viele der Nutzer nicht nachvollziehbare oder erklärbare Ergebnisse liefert, kann schnell zu Ablehnung des Unbekannten seitens der Vertriebsmannschaft führen – die je nach Güte und Qualität der gelieferten Ergebnisse auch berechtigt sein kann. Was ist nun das richtige Vorgehen?  Die Implementierung der neuen Technik oder die Ableitung auf Basis von Erfahrungswerten und Einschätzungen? Nach dem Motto, dass die beste Theorie keinen Mehrwert bietet, wenn sie nicht von der Praxis bestätigt wird, kann die Frage wahrscheinlich mit einem Mittelweg beantwortet werden. Regelbasierte Ansätze sind überwiegend noch die einfachere Methode – sowohl in der technischen Umsetzung als auch in der Implementierung unternehmensintern. Nichtsdestotrotz sollte die KI nicht vollumfänglich aus der Agenda gestrichen werden. KI-Tools können bei der Erkennung von Mustern unterstützen und helfen weitere Regeln zu definieren, die man vorher nicht identifiziert hätte.

 

Fazit

Vom Selbstverständnis des Service als proaktiver Partner der (Verkaufs-)Organisation über Datenqualität, der Zuordnung klarer Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten bis zur systematischen (KI-basierten) Nutzung von Daten gibt es noch viele Herausforderungen in der Zukunft zu meistern.
Unsere Empfehlung: Reagieren Sie nicht situativ darauf, sondern gehen Sie die Themen proaktiv an!

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