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Impulsletter Q3 2017

Die ernsthafte Professionalisierung des Einkaufs geht auf die 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zurück. Was hat sich seit damals getan? Neben der Globalisierung ist die immer größere zur Verfügung stehende Datenmenge über Lieferanten, Artikel, Zulieferermärkte, Risiken, etc. und die Fähigkeit, diese zu analysieren, der treibende Faktor dieser Professionalisierung gewesen. Diese Entwicklung hat in den meisten Unternehmen zu bedeutenden Einsparungen im Einkauf geführt und den Einkauf als einen bedeutenden Garanten für Wettbewerbsvorteile positioniert. Bei genauerer Betrachtung, stellt man allerdings fest, dass Wettbewerbsvorteile nur die „early movers“ erwirtschaftet haben, die bislang regelmäßig den übrigen Wettbewerbern ein paar Jahre voraus waren, letztendlich jedoch wieder von diesen eingeholt wurden.

Mit der fortschreitenden Digitalisierung wird sich dieses Verhaltensmuster kaum wiederholen lassen, denn auch der Einkauf steht vor einer Disruption, die ihn vollkommen verändern wird. Unternehmen, die diese Chance heute bereits identifizieren und nutzen, werden einen weitaus größeren Vorsprung vor ihren Wettbewerbern erwirtschaften, als dies in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war.

Optimierung des Einkaufs bis heute

Der erste Fokus auf die Optimierung der Einkaufsfunktion datiert auf die frühen 90er Jahren. Die Analysekapazität größerer Datenmengen und die Einführung von rudimentären ERP-Systemen erlaubte damals erstmals Bündelungsansätze über Standorte und Lieferanten hinweg. In den folgenden Jahren wurden die Optimierungsansätze immer vielfältiger, auch durch die Einführung von Einkaufsplattformen und dedizierter Einkaufssoftware. Grundsätzlich lassen sich auf Basis unserer Projekterfahrung seit dieser Zeit vier Optimierungsansätze differenzieren:

  • Einkaufsstrategie
  • Betriebsmodell Einkauf – Prozesse, Schnittstellen & Systeme
  • Einkaufskultur
  • Warengruppenmanagement, das häufig als bedeutendster Kernprozess separat optimiert wird.

Was wird sich ändern?

Drei Megatrends beeinflussen die Entwicklung der Einkaufsfunktion seit einigen Jahren und werden bedeutende Veränderungen bewirken:

  • Digitalisierung (Big Data)
  • Konnektivität
  • Künstliche Intelligenz

Die Konsequenzen aus diesen Megatrends für den Einkauf sind:

  1. eine stetig wachsende Transparenz über Waren- und Informationsflüsse, sowohl intern als auch extern,
  2. die Möglichkeit, einkaufsrelevante Entscheidungen in real time (oder fast) und somit passender treffen zu können,
  3. die Automatisierung zahlreicher Kernprozesse, die heute von der Einkaufsfunktion wahrgenommen werden.

Wir erleben heute bereits eine starke Veränderung der Aufgaben und Prozesse im Einkauf, die sich unserer Meinung nach in den kommenden Jahren weitaus verstärken wird.

Wie wird der Einkauf 2030 aussehen?

Auf Basis der heute bereits ersichtlichen Veränderungen sehen wir vier direkte Konsequenzen für die Einkaufsfunktion:

  • Der Anspruch an den strategischen Einkauf wird wachsen.
  • Die Anzahl der Mitarbeiter im Einkauf wird stark sinken, da der heutige operative und taktische Einkauf fast verschwinden wird.
  • Aus dem klassischen strategischen, taktischen und operativen Einkäufer wird ein Interfacemanager im Spannungsfeld zwischen Lieferanten und eigener Organisation.
  • Management von Produkt- und Prozessinnovation wird im Mittelpunkt stehen.

Beispielhaft können folgende drei Ansätze Einblick in die Zukunft des Einkaufs geben:

  1. Die Potenziale der Automatisierung des e2e-Einkaufsprozesses (Bedarfsanforderung, Lieferantenauswahl, Bestellung, Warenfluss, Rechnungsstellung & Bezahlung) sind trotz anhaltender Fortschritte seit Anfang der 2000er Jahre noch immer nicht vollständig gehoben. Eine aktuelle Studie von Mercateo belegt, dass z.B. im indirekten Einkauf bei einem Warenwert von knapp über 200 M€ auch heute noch bis zu 70 M€ Prozesskosten durch Automatisierung der verschiedenen Prozessschritte eingespart werden können. Anwendungsbeispiele aus der Robotic Process Automation zeigen auch, dass die Automatisierung nicht in allen Fällen mit vollkommen neuen Systemen realisiert werden muss. Es existieren hier simple und schnell einführbare Lösungen. (Siehe hierzu auch folgenden Artikel im Advancy ImpulsLetter Q1/2017: „Robotik – Konkreter Digitalisierungsansatz zur Prozessautomatisierung“.)
  2. Künstliche Intelligenz verspricht eine Optimierung des gesamten Verhandlungsprozesses zwischen Unternehmen. In rationalen Umgebungen wird so der gesamte Verhandlungsprozess von Maschinen durchgeführt werden (Standardprodukte, Standardpreise, Rabattstaffeln, Mengengerüste, etc.).In komplexeren Umgebungen (eigene Spezifikationen, etc.) wird Verhandlungsunterstützung auf Basis von künstlicher Intelligenz und darauf aufbauenden Simulationen existieren, die dann von Einkäufern operativ eingesetzt werden.
  3. Eine noch weiterführende Konzentration der Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen in einem digitalisierten Umfeld wird dazu führen, dass Wettbewerbsvorteile durch den Einkauf, verstärkt durch Innovationsmanagement in Zusammenarbeit mit Lieferanten, entstehen werden. Neben der Kompetenz im Schnittstellenmanagement wird es hier verstärkt darauf ankommen, ob Einkaufsabteilungen kollaborative Optimierungsansätze mit Lieferanten beherrschen und diese im Unternehmen auch durchsetzen können. In der aktuellen Unternehmenswelt leidet die Umsetzung solcher Ansätze meistens an der Kurzfristigkeit des unternehmerischen Denkens, da sich kollaborative Innovationsansätze meist erst über den Zeitraum von einem Quartal oder einem Jahr hinaus bezahlt machen.

Was sollten Unternehmen heute bereits in die Wege leiten?

Möchten Unternehmen in der Zukunft weiterhin Wettbewerbsvorteile durch den Einkauf generieren, gilt es, ein klares Umdenken weg von warengruppengetriebenen oder klassischen organisationalen Ansätzen hin zu einer weitaus strategischeren Ausrichtung in die Wege zu leiten, die die Digitalisierung und weitere, oben beschriebene Megatrends vollkommen integriert. Konkret heißt dies aus unserer Sicht:

  • Die Digitalisierung aller Einkaufsprozesse und die damit verbundene Automatisierung so schnell wie möglich voranzutreiben und die Anzahl der Mitarbeiter dem tatsächlich notwendigen Aufwand anzupassen.
  • Die künstliche Intelligenz in Einkaufsprozesse zu integrieren, wo immer dies möglich ist.
  • Einkäufer gezielt zu „Interfacemanagern“ weiterzubilden, die z.B. in der Lage sind, kollaborative Innovationsprozesse mit Lieferanten voranzutreiben.
  • Im eigenen Unternehmen die zukünftigen Herausforderungen im Umgang mit Lieferanten klar zu kommunizieren und den Einkauf in seiner neuen Rolle zu positionieren.

Unsere Projekterfahrung zeigt, dass zu viele Unternehmen immer noch im „Weiter so“ gefangen sind und die Chancen der anstehenden Veränderungen im Einkauf noch nicht auf der Agenda haben.

Marc Staudenmayer

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