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Best-Practice Ansatz zur digitalen Transformation im Maschinen- und Anlagenbau

Neben den klassischen Wachstums- und Ergebnisstrategien bietet insbesondere die Digitalisierung zahlreiche Möglichkeiten eines profitablen Unternehmens, dass für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet ist.

Digitalisierung ist heute ein weitreichender Begriff, der oftmals Fragmente einzelner Teilbereiche beschreibt. Dieser Sammelbegriff ist daher sehr weit verbreitet, aber unspezifisch in seiner Anwendung und Beschreibung insbesondere für unternehmerisches Handeln. 
Der eigentliche Mehrwert der Digitalisierung besteht darin, eine strukturierte und zielführende Herangehensweise zu implementieren um einzelne Teilbereiche / Fragmente sinnvoll und transparent zusammenführen zu können – Digitale Synergien – innerhalb eines Unternehmens. 
Digitalisierung hat bereits Handlungsweisen und Prozesse verändert, die verschiedene Unternehmensbereiche betreffen. Angefangen von Prozessen auf Lieferantenseite (Supply Chain) über die Support-Funktionen in den Unternehmen bis hin zum Endkunden und dessen Verhalten. Dieser Prozess ist fortlaufend und sollte als Vorteil für strategisches und zukunftsorientiertes Handeln genutzt werden.

Fehlende Strukturen und nicht vorhandene digitale Leitlinien sind oft Hindernisse für eine erfolgreiche Analyse und Implementierung digitaler Prozesse. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) sind betroffen und aufgefordert zielstrebiger zu Handeln. Die deutschen Schlüsselindustrien Automobil- und Maschinenbau erleben einen Strukturwandel mit erhöhtem Wettbewerbsdruck aus dem Ausland und starken Innovationseinflüssen neuer Technologien und Trends. Jetzt ist Agilität für ein schnelles Umdenken zur Sicherstellung des Unternehmensergebnisses und einer zukunftsorientierten strategischen Ausrichtung gefragt.
Der Maschinen- und Anlagenbau gehört zu den Schlüsselindustrien in Deutschland. Das Etikett „Made in Germany“ steht nach wie vor für Zuverlässigkeit und Präzision sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext. Dennoch schaffen es ausländische Wettbewerber die hohen technologischen Markteintrittsbarrieren durch kontinuierlichen Aufbau von Know-how zu überwinden. China beispielsweise konnte laut Europäischem Patentamt (EPO) in den vergangen 10 Jahren seine Patentzulassungen von 6% auf 35% gegenüber Deutschland steigern. Der erhöhte Wettbewerb erfordert ein Umdenken in allen Unternehmensbereichen zur Aufrechterhaltung der deutschen Marktführerschaft.

Einer der zentralen Bereiche ist der After-Sales-Service (ASS), der auch zunehmend an Bedeutung gewinnt. Laut Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) stieg der Umsatzanteil des ASS in Deutschland innerhalb der Unternehmen von 13% im Jahr 1991 auf knapp 20% in 2017, Tendenz stark steigend. Die Service Champions darunter kommen erfahrungsgemäß (2019) sogar auf einen Anteil von bis zu 45%. Ein wesentlicher Grund besteht darin, dass Unternehmen die Attraktivität des ASS erkennen und auch bereits eigene Service Sales Teams oder Prozesse aufbauen. Während die „großen“ Unternehmen seit Jahren daran arbeiten, hinken die „kleinen“ weiterhin hinterher. Nichtsdestotrotz treiben die hohen Margen von 15-20% den Fokus immer mehr auf den After-Sales-Service. Einer der Kernbereiche davon ist das Ersatzteilgeschäft und dabei gleichzeitig wesentlicher Margentreiber.

Grafik 1: Zukünftige Chancen und Risiken im After-Sales-Service
Quelle: Eigene Ausarbeitung (2019)

 

Risiken für den ASS in Deutschland entstehen zum einen durch die Ersatzteilpiraterie, die das lukrative Geschäft durch den Verkauf nachgebauter Ersatzteile bedrohen. Zum anderen treten verstärkt Drittanbieter in den Markt, meist Zulieferer, die den direkten Weg zum Kunden suchen. Langfristig werden Technologien, wie das 3D-Printing das Ersatzteilgeschäft massiv durch Nachbauten beeinflussen.

Auch andere Bereiche des ASS unterliegen Risiken, die zunehmende Verlässlichkeit der Produkte verlängern Serviceintervalle und verringern Ausfallquoten. Darüber hinaus erschweren nicht autorisierte Händler die Marktbearbeitung.

Chancen für den After-Sales-Service liegen neben den klassischen Wachstums- und Ergebnisstrategien insbesondere in der Digitalisierung.

Die Betrachtung eines „Digitalen Unternehmens“ umfasst die digitalen Themenfelder:

  1. Geschäftsprozesse (interne Prozesse)
  2. Kundenerlebnisse (externe Prozesse)
  3. Disruptive Geschäftsmodelle (Innovationen)

Diese Unterteilung ermöglicht eine diversifizierte Darstellung zur Betrachtung einzelner Teilbereiche. Insbesondere im ASS werden folgende Methoden und Technologien angewendet (Grafik 2).

Grafik 2: Ausgewählte digitale Methoden und Technologien

 

Best-Practice Anwendungen verdeutlichen dabei in 8 Schritten Möglichkeiten der Digitalisierung anhand der 3 digitalen Themenfelder (Grafik 3).

Unternehmen unterliegen einem stetigen Aufbau von Mitarbeiter Know-how, insbesondere im Mittelstand ist das Wissen heute bei einigen wenigen Schlüsselpersonen und Fachkräften gebündelt. Um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, entwickelten die Autoren einen Prozess zum systematischen Aufbau einer Wissensdatenbank für Service-Techniker. Im Fokus stand dabei die Sicherung von Know-how, die Reduzierung von Reparaturzeiten sowie die Erhöhung der First-Fix bei Serviceeinsätzen. Zusätzlich kann durch die Anbindung an eine Plattform disruptiver Umsatz generiert werden.

Die Vorteile wiederum kommen aber auch direkt dem Vertrieb zugute, der innerhalb des eigenen Unternehmens am Häufigsten auf den Service – durch interne Anfragen – zurückgreift. Sonderanpassungen oder Einweisungen von Neumaschinen, Begleitung bei Verkaufsgesprächen oder Zurverfügungstellung von Dokumenten werden über den Vertrieb eingesteuert und bilden nur einige wenige Beispiele der Verzahnung zwischen Vertrieb und Servicebereich.

Grafik 3: Best-Practice Anwendung zum Aufbau einer Wissensdatenbank in 8 Schritten

 

Die Chancen der Digitalisierung sind durch Daten getrieben. Dabei sollte Klarheit über diese, deren Erhebung, Sicherheit, Verwendung und ggf. Kommerzialisierung selbst bestehen.

In Schritt 1 wurden zuerst die Anforderungen bezüglich Inhalt und Aufbau einer Wissensdatenbank definiert. Dabei wurde dies mit den wesentlichen Funktionsbereichen abgestimmt (Techniker und Technische Berater, Regionale Kundendienstleiter, Controlling). Wesentliche Informationen zu Produkten und Baugruppen, Problembeschreibung und deren Lösung wurden aufgenommen und unnötige Daten außen vorgelassen (#smartdata).

Die Erstellung in Schritt 2 über eine manuelle Erfassung ist stark zeitgetrieben und erfordert die Abstellung von Mitarbeitern zur Dokumentenerstellung. Somit wurde dieser Prozess lediglich zur Validierung herangezogen, bevor digitale Lösungen in der Organisation implementiert wurden.

1) Digitalisierung der Geschäftsprozesse

Parallel wurde in Schritt 3 der Technische Dienst mit einem Ticketsystem ausgerüstet um Transparenz in den Geschäftsvorfällen herzustellen. Die somit kontinuierlich erfassbaren „Hilfsprodukte“ (Tickets) finden nun als „Hauptprodukte“ in der Wissensdatenbank Verwendung. Digitalisierung konnte den vorgelagerten manuellen Prozess ersetzen und die Daten des Ticketsystems als regelmäßiger Upload in die Wissensdatenbank überführen.

Ein für die Service-Techniker bestehende Software der technischen Dokumentation wurde um das Modul „Wissensdatenbank“ erweitert. Notwendigerweise musste in Schritt 4 die Funktion hin von einer Offline Anwendung in eine kopiergeschützte Online Auslegung umgewandelt werden, um nicht nur Daten in Echtzeit zu aktualisieren, sondern auch durch Datensicherheit geistiges Eigentum zu sichern.

Durch die Einführung des Ticketsystems und der damit verbundenen regelmäßigen Erweiterung der Wissensdatenbank, konnte innerhalb weniger Monate die Anzahl an Dokumenten auf mehr als 5.000 erweitert werden. Dies ermöglichte die Einführung und Integration als Schritt 5 in den Alltag der Service-Techniker, deren Anzahl an Dokumenten nun ausreichend war, um einen Großteil an technischen Problemen über alle Modelle und Baureihen abzudecken. Mittelfristig wurde eine Zielvorgabe von 15.000 Anwendungsfällen gesetzt, um das bestehende Produktportfolio mit über 100 Baugruppen ausreichend abzubilden und somit die notwenige Akzeptanz für deren langfristige Nutzung zu schaffen.

2) Digitalisierung des Kundenerlebnisses

Mit einer eigens entwickelten Service-App wurde dem Kunden ein weiterer Kanal für Serviceanfragen bereitgestellt. Um die Kundenbindung zu erhöhen, liegt der Fokus dabei auf einer schnellen und einfachen Lösung die zusätzlich die internen Prozesse verschlanken. Produktspezifische Daten können über Barcode-Scan sowie dem hinterlegten Kundenkonto in der App automatisch an die Disposition übermittelt werden. Auch eine weitere Möglichkeit Bilder des betroffenen Problems über die App zu generieren helfen dem Disponenten zur besseren Einschätzung des technischen Problems und kann bei der Planung bzw. Ersatzteilbestellung berücksichtigt werden. Nicht nur der Kunde kann sich wieder schneller seiner eigentlichen Aufgaben widmen, sondern auch die Maschine selbst.

Die übermittelten Kundenbilder werden nun in Schritt 6 in die bestehende Wissensdatenbank integriert um die Schadensfälle nun auch visuell abzubilden; und das Beste daran, kostenlos und kontinuierlich. Digitalisierung ahoi!

3) Digitalisierung der Geschäftsmodelle

Die Königsdisziplin unter den drei Themenfeldern bilden neue digitale Geschäftsmodelle. Digitalisierung ist zwar komplex aber ergeben sich doch viele Möglichkeiten disruptiver und kommerzieller Ansätze.

Wo bisher noch viele Ressourcen zum Aufbau einer Wissensdatenbank eingesetzt wurden, entsteht diese heute quasi von selbst. Die gespeicherten Tickets aus der Datenbank liefern die Basis und lassen diese von Monat zu Monat anwachsen. Bilder liefern die Kunden durch die Service-App selbst. Zusammengeführt bilden diese Daten eine riesige Datenbank an technischen Diagnosen und Lösungsvorschlägen, auf die jederzeit zugegriffen werden kann. Die Transparenz hin zum Kunden wird somit durch moderne und digitale Prozesse weiter ausgebaut und erleichtert die Interaktion und Dokumentation zwischen Kunde, Service und Vertrieb.

Durch Bereitstellung und Integration weiterer Landesgesellschaften in Schritte 7 und der damit verbundenen Kostenbeteiligung konnte die Datenbank nochmals komplett revidiert werden.

Aufgrund sprachlicher Barrieren ist somit eine Kooperation zwischen DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) machbar aber auch beispielsweise Frankreich und einige afrikanische Partnerländer wären denkbar. Internationale Kooperationen kommen tendenziell nur in englischer Sprache zu tragen.

Vor dem Verkauf von Lizenzen dieser Wissensdatenbank an autorisierte Händler in Schritt 8 wurden diese einer Qualitätsprüfung unterzogen. Dabei wurden die Dokumente einzeln validiert und durch ein 4-Augen Prinzip freigegeben. Personalisierte Dokumente wurden umgeschrieben oder direkt aussortiert (#DSGVO). Eine Kommerzialisierung dieser Wissensdatenbank generiert somit heute nicht nur disruptiven Umsatz, sondern steigert die Unternehmensreputation durch Qualität und Zuverlässigkeit Ihrer Servicepartner.

Die beschriebenen Best-Practice Anwendungen verdeutlichen die Komplexität der Digitalisierung durch das Zusammenspiel und Wechselwirkung verschiedener Technologien und Prozesse, jedoch bietet sie auch enorme Chancen. Fangen Sie also damit an!

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