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ADVYCE Branchenanalyse – Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Branchen?

ImpulsLetter Q1 2021

 

Ein Interview mit Treasury & Asset Management-Experte Greogor Höll von der Sparkasse Düsseldorf

Herr Höll, wen trifft die Covid-19-Krise aus Ihrer Erfahrung am härtesten und wer kommt am glimpflichsten davon?

Nach der ersten Schockstarre, geprägt von allgemeiner Unsicherheit und einem entsprechend schwierigen Planungshorizont, ist die Entwicklung in den Branchen sehr differenziert. Natürlich litten und leiden Tourismus und Gastronomie ganz erheblich, ihnen ist die Geschäftsgrundlage in weiten Teilen schlicht weggebrochen. Bei anderen ist es mehr ein Auf und Ab mit teilweise widerstreitenden Trends. Nehmen Sie die Automobilindustrie. Da dominierten zunächst Lieferengpässe und Produktionsausfälle. Die Probleme waren aber auch nicht allein Corona-bedingt – wir sprechen von rund 700.000 nicht gebauten Fahrzeugen allein aufgrund von Chipmangel. Mittlerweile aber gibt es so etwas wie ein Comeback, viele OEM legen gute Zahlen vor, insbesondere durch die Nachfrage in Asien. Der Einzelhandel leidet unter Schließungen im stationären Bereich, gleichzeitig erlebt die Branche einen Innovationsschub durch die erzwungene Digitalisierung vieler Geschäftsmodelle. Der Lebensmitteleinzelhandel ist zudem ein echter Gewinner der Krise, auch weil eben mehr zuhause gekocht wird. Die IT und Telekommunikation ist ein weiteres positives Beispiel, auch durch den stark gestiegenen Anteil der Remote-Arbeit. Medienunternehmen hingegen leiden extrem, da werden komplette Geschäftsmodelle infrage gestellt. Viele Industrieunternehmen haben nach wie vor Kurzarbeit. Auch wenn jetzt einige vom Boom in Asien profitieren, sehen wir Personalabbau und Liquiditätsprobleme. Folgerichtig möchte man sagen, leiden auch Finanzinstitute zum Teil unter dem wirtschaftlichen Abschwung, befürchten Kreditausfälle und müssen stärkere Risikovorsorge betreiben. An den Kapitalmärkten wechseln sich Rekordstände mit starken Kursschwankungen ab. All das spiegelt eine nach wie vor extrem komplexe Prognosesituation wider.

 

Wie schnell wird sich die Wirtschaft insgesamt nach Ihrer Einschätzung von den Krisenfolgen erholen?

Auch das ist sehr unterschiedlich und mit zahlreichen Unbekannten und sich teilweise widersprechenden Trends verbunden. Nehmen Sie die Automobilindustrie. Auf der einen Seite wird ein vermehrtes Remote-Arbeiten für weniger Verkehr auf den Straßen sorgen. Auf der anderen Seite setzen durch die Pandemie wieder mehr Leute auf den Individualverkehr anstatt den ÖPNV zu nutzen. Im Einzelhandel rechne ich noch länger mit erheblichen Folgen. Das gleiche gilt für die Gastronomie. Und auch die Medienwelt wird sich stark verändern. Energie oder Telekommunikation hingegen werden rasch wieder zu alter Stärke finden.

Abbildung 1: Einschätzung der Dauer bis zu einer Erholung sowie Erreichung des Vorkrisen-Niveaus (+ entspricht schnell, 0 entspricht überschnittlich und – symobilisert eine vergleichsweise lange Regenerationsdauer). *bezogen auf Handel; Logistik wird sich zeitnah erholen.

 

In welchen Branchen werden die Veränderungen am deutlichsten sein?

Am spannendsten finde ich da die Automobilbranche. Hier wird es darauf ankommen, ob die OEMs und Zulieferer die richtigen Lehren ziehen und ihre Geschäftsmodelle entsprechend verändern. Wir werden entweder einen Phönixmoment erleben, wenn Lieferketten neu gedacht und e-Mobility massiv vorangetrieben werden. Wer das nicht tut, wird in Zukunft große Probleme haben. Im Finanzbereich glaube ich an einen erheblichen, wenn auch erzwungenen Innovationsschub. Viele Institute haben ihre digitale Infrastruktur deutlich verbessert, Broker verzeichnen den Zulauf neuer Kundenschichten, der „Angriff“ branchenfremder Anbieter mit Finanzlösungen scheint erstmal abgewehrt. Gleichzeitig sinkt der Bedarf an stationären Arbeitsplätzen, und noch mehr Filialen werden geschlossen. Im Handel wird sich besonders deutlich die stationäre Spreu vom digitalen Weizen trennen. Auch D2C, also die Direktvermarktung vom Produzenten zum Konsumenten, wird in manchen Bereichen zum nachhaltigen Trend, der Vertriebsstrukturen, Partnerschaften und Geschäftsmodelle verändert. Im Maschinen- und Anlagenbau kommt es hoffentlich zu einem Umdenken, hin zu mehr Regionalität in den Lieferketten, und Robustheit geht wieder vor dem letzten Cent an Einsparungspotenzial.

 

Welche Megatrends sehen Sie durch die Krise befördert?

Ganz klar: nachhaltige Prozesse aller Art wie etwa Elektromobilität oder der Wasserstoff-Antrieb, aber wie erwähnt auch in den Lieferketten. Und natürlich die erneuerbaren Energien von Wind bis Wasser. Im Bereich der Finanzdienstleistungen  eine generelle Digitalisierung sehr vieler Prozesse und Vertriebsstrukturen, aber auch die weitere Verbreitung von Kryptowährungen als etabliertes Zahlungsmittel und Robo-Advisory. Es erübrigt sich fast zu erwähnen, dass die Digitalisierung von der Produktion bis zum Vertrieb das alles entscheidende Erfolgsmomentum für alle Branchen ist und bleibt.

 

Das Interview hier als Download

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