(1/3) Peer-to-Peer (P2P) – Geschäftsmodelle in der Versicherungswirtschaft
Teil 1: Warum ist P2P in der Versicherungswirtschaft zunächst gescheitert?
Vor fast genau 10 Jahren hat unser Kollege Dr. Thomas Zwack untersucht*, inwieweit eine Abkehr von der klassischen Beziehung zwischen Versichertem und Versicherer, auf Basis eines bilateralen Vertrags zwischen Privatpersonen, neue Märkte eröffnen kann und mit neuartigen P2P-Geschäftsmodellen bislang nicht-versicherbare Risiken abgesichert werden können. Die Community of Practice war dabei zentrales Element des Geschäftsmodells und ermöglicht die Schadenprävention und Absicherung. Durch Variationen in Struktur, Beziehung und Leistungserbringung ließen sich 18 neue Geschäftsmodellausprägungen zur Absicherung von Risiken ableiten, die sich u.a. an dem bereits etablierten Konzept der Sharing-Economy orientierten.
Ein Blick auf den internationalen Versicherungsmarkt zeigt heute sehr deutlich, dass die Risikoteilung, etwa unter Freunden, von den Kunden nur unzureichend angenommen wurde. Die ursprüngliche Idee, das Solidaritätsprinzip in der Versicherungswelt wieder erlebbar zu machen hat damit nicht den großen Durchbruch geschafft. Dies ist auch der Grund, weshalb die ursprünglich „großen“ Peer-to-Peer-Versicherer, wie etwa Guevara, Inspeer, Lemonade, elinor oder Friendsurance entweder nicht mehr auf dem Markt sind oder ihr Geschäftsmodell grundlegend ändern mussten. Ganz anders sieht es übrigens mit Vertretern der Sharing Economy in anderen Branchen aus. AirBnB, Uber oder Bolt sind weiterhin überaus erfolgreich und bauen ihr Geschäft weiter aus.
Peer-to-Peer (P2P) Versicherung ist eine innovative Idee, aber sie ist mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, die zu ihrem Scheitern beigetragen haben. Hier sind einige der Hauptgründe:
- Regulatorische Hürden: Die Versicherungsbranche ist stark reguliert, und P2P-Versicherer müssen die gleichen strengen Anforderungen erfüllen wie traditionelle Versicherer. Dies ist insbesondere für Start-Ups teuer und sehr zeitaufwendig.
- Vertrauensprobleme: Versicherungen basieren stark auf Vertrauen. Kunden müssen sicher sein, dass ihre Ansprüche bezahlt werden. Bei P2P-Modellen kann das Vertrauen innerhalb der Gruppe schwierig zu etablieren und aufrechtzuerhalten sein.
- Risikomanagement: P2P-Versicherer müssen sicherstellen, dass sie genügend Rücklagen haben, um Ansprüche zu decken. Das Risiko innerhalb einer kleinen Gruppe zu verteilen, kann problematisch werden, wenn viele Ansprüche gleichzeitig auftreten.
- Skalierbarkeit: Während das P2P-Modell in Kleinstgruppen noch funktionieren kann, wird es schwieriger, wenn das Unternehmen wächst. Größere Gruppen erfordern komplexere Verwaltungssysteme und Risikobewertungen.
- Kundengewinnung und -bindung: P2P-Versicherer müssen Kunden davon überzeugen, ein neues und oft unbekanntes Modell zu akzeptieren. Traditionelle Versicherer haben etablierte Marken und einen großen Kundenstamm, was es für neue Marktteilnehmer schwer macht, Fuß zu fassen.
- Finanzielle Nachhaltigkeit: Viele P2P-Versicherer haben Schwierigkeiten, ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Die anfänglichen Kosten für Marketing, Technologie und Regulierung können hoch sein, und es hat für viele Player zu lange gedauert, bis es möglicherweise profitabel wurde. Investoren haben hier die Reißleine gezogen.
- Wettbewerbsdruck: Traditionelle Versicherer haben begonnen, ihre eigenen innovativen Produkte und Dienstleistungen anzubieten, um mit den neuen Marktteilnehmern zu konkurrieren. Dies erhöhte den Druck auf P2P-Versicherer, sich zu differenzieren und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben.
War das Scheitern der P2P-Versicherer nur ein erster (notwendiger) Zwischenschritt zum Durchbruch dieser neuen Absicherungsform oder ist diese Idee wirklich endgültig gescheitert? In Teil 2 und 3 werden wir Ihnen unsere Sicht dazu geben. Wir freuen uns aber schon heute auf Ihre ganz persönliche Einschätzung dazu.
Quellen:
Zwack, T. (2017). Peer-to-Peer-Geschäftsmodelle zur Absicherung privater Risiken – Eine Exploration am Beispiel Wildschaden. (Picot, A., Reichwald R., Franck E., & Möslein K. M., Ed.). Markt- und Unternehmensentwicklung / Markets and Organisations.
Fritzsche, A., & Zwack T. (2018). Back to the Community: Effects of Data-Driven Peer-to-Peer Interaction on Insurance Business. AoM Specialized Conference on Big Data.
Als nächstes in der Serie:
14.08.2024 (Teil 2): P2P: Gibt es eine Zukunft? Wer könnten die neuen Player sein?
28.08.2024 (Teil 3): Kann der gezielte Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) den P2P-Ansatz mit völlig neuen Geschäftsmodellen nochmals neu befeuern?