(2/3) Peer-to-Peer (P2P) – Geschäftsmodelle in der Versicherungswirtschaft
Teil 2: Gibt es eine Zukunft? Wer könnten die neuen Player sein?
In unserem ersten Teil haben wir festgestellt, dass die ersten kommerziellen Versuche einer P2P-Versicherung in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern, leider komplett gescheitert sind. Wir konnten sieben Hauptgründe identifizieren, die einzeln oder in Kombination den nachhaltigen Erfolg dieser anfänglich „vielversprechenden Idee“ verhindert haben. In diesem zweiten Teil stellen wir uns nun die Frage, ob das Konzept einer gegenseitigen Absicherung von Privatpersonen in Mikrorisikokollektiven doch nochmals aufleben kann.
P2P-Start-Ups mit ihren Investoren haben zunächst einmal Abstand von Peer-to-Peer genommen und verfolgen den Ansatz nicht mehr weiter bzw. verzichten gänzlich auf weitere Investitionen. Es sind aber mittlerweile eine Vielzahl verschiedener Entwicklungen in der Versicherungswirtschaft erkennbar, die einzelne Aspekte des P2P-Ansatzes aufgreifen und so die Branche weiter transformieren:
Nahezu alle Versicherungen setzen mehr oder weniger verstärkt auf Künstliche Intelligenz (KI) und Big Data, um Risiken besser zu analysieren, prädiktive Modelle zu erstellen und individuelle Versicherungsangebote maßzuschneidern. Dabei kann KI hoch personalisierte Versicherungsdeckungen bestmöglich unterstützen.
In plattform-basierten Ökosystemen werden Versicherer Teil größerer Plattformen, die verschiedene Dienstleistungen und Produkte „rund um das Leben“ der Nutzer integrieren und somit wird Versicherung ein elementarer Baustein eines umfassenderen digitalen Ökosystems.
Unter „Embedded Insurance“ versteht man Versicherungslösungen, die in Produkte oder Dienstleistungen eines Drittanbieters integriert werden. Das kann zum Beispiel ein Geräte- oder Warenschutz beim Kauf eines Elektronikgerätes sein, oder eine Reiseversicherung. ERGO, O2 Telefónica und Telefónica Insurance haben diesen Ansatz kürzlich zur Marktreife gebracht.
Der gezielte Integration von Blockchain-Technologie in die Wertschöpfungskette einer Versicherung kann die Transparenz, Sicherheit und Dezentralisierung noch weiter verbessern und ermöglichen Smart Contracts, die automatisierte Regulierung von Schadenfällen, sobald bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
Anstelle traditioneller Versicherungen, die auf Schadensermittlung basieren, könnten auch parametrische Versicherungen weiter an Bedeutung gewinnen. Hierbei wird eine vorher festgelegte Zahlung ausgelöst, wenn ein bestimmtes Ereignis (z.B. ein Erdbeben mit einer bestimmten Stärke) eintritt, ohne dass eine umfangreiche Schadenmeldung erforderlich ist.
Community-basierte Versicherungen fokussieren sich auf soziale Netzwerke und Communities, in denen sich Menschen mit ähnlichen Risiken zusammenfinden und gemeinschaftlich Versicherungsfonds bilden.
On-Demand-Versicherungen ermöglichen es, dass Nutzer ihre Versicherungsdeckung flexibel und in Echtzeit an- und ausschalten können, je nach Bedarf. Dies könnte besonders für temporäre oder situative Versicherungen interessant sein, z.B. für Reisen oder Risikosportarten.
Diese oben genannten Entwicklungen sind im Besonderen bei traditionellen Versicherungsunternehmen in unterschiedlicher Ausprägung bereits gut erkennbar. Diese greifen, bewusst oder unbewusst, die Defizite des P2P-Ansatzes auf und können auch als fragmentelle Weiterentwicklung des P2P-Ansatz interpretiert werden.
Durch eine sinnvolle Kombination der oben aufgeführten Ansätze kann je nach Branche und Reifegrad der Technologie erneut über das Peer-to-Peer Versicherungsgeschäftsmodell nachgedacht werden. Wie genau würde sich dann dieses Modell vom ursprünglichen Ansatz unterscheiden und welche Rolle spielt die KI dabei? Diese Frage werden wir im letzten Teil beantworten.
Die deutsche Versicherungswirtschaft ist träge, altbacken und wenig innovativ? Wir glauben das nicht!
Als nächstes in der Serie:
28.08.2024 (Teil 3): Kann der gezielte Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) den P2P-Ansatz mit völlig neuen Geschäftsmodellen nochmals neu befeuern?