ImpulsLetter Q4
Abstract
In Zeiten, in denen immer mehr Banken negative Zinsen an ihre Kunden weitergeben und regelmäßig neue regulatorische Anforderungen umsetzen müssen, ist der Markt für Banken in Deutschland sehr ungemütlich geworden.
Das raue Klima spiegelt sich darin wider, dass immer mehr etablierte Bankhäuser mit steigenden Kundenverlusten konfrontiert werden. Neben den Herausforderungen des zinspolitischen und regulatorischen Umfeldes zeigt der Erfolg von Challenger Banken und FinTechs sehr deutlich, dass Kunden immer wechselwilliger werden. Dabei achten Kunden zunehmend auf die Auswahl an Produkten und Dienstleistungen bei ihrer Bank und auf deren Benutzerfreundlichkeit.
Dieser Beitrag beleuchtet, wie agile Arbeitsmethoden die Innovationsfähigkeit von Banken erhöhen, damit diese schneller die passenden kundenzentrierten Lösungen – dargestellt am Beispiel Open Banking – an den Markt bringen können.
Differenzierung in Zeiten von Niedrigzinsen
Da alle Wettbewerber im Markt mit niedrigen Zinsen arbeiten müssen, sind es manchmal Kleinigkeiten, welche die Kundenzufriedenheit steigern können. Challenger Banken und FinTechs haben vorgemacht, mit welcher Art von Innovationen, oft gepaart mit einer Wechselprämie, sich neue Kunden gewinnen lassen: Ein vereinfachtes und App basiertes Kontoeröffnungsverfahren gehört genauso dazu, wie mobiles Traden oder Bezahlen mit dem Smartphone oder der Smartwatch.
In unserem letzten ImpulsLetter hatten wir bereits ausführlich über die Auswirkungen der PSDII auf das Geschäftsmodell vieler Banken berichtet. Daneben gibt es aber auch Veränderungen in der Bankenwelt, welche nicht durch eine europäische Richtlinie angestoßen wurden und die dennoch für die Banken in Deutschland bedeutsam sind. Dazu gehört der Antritt vieler neuer Wettbewerber, welche mit einem kundenzentrierten Ansatz auf den Markt drängen.
„Customer Centric Banking“ als Chance
Die zahlreichen neuen “Digital First“ Banken haben auch in Deutschland den Bankenmarkt verändert. Zu lange hatten sich die etablierten Banken auf ihrer zugegebenermaßen komfortablen Position ausgeruht und den Wettbewerb aus der Start-Up Szene belächelt. Genau diese Trägheit und Inflexibilität der Banken haben sich die Neuankömmlinge zunutze gemacht und von Anfang an versucht, den Kunden mit seinem Smartphone in den Mittelpunkt zu stellen.
Der Ansatz, aus der Sicht des Kunden zu denken, oder anders ausgedrückt, Customer-Centricity in den Fokus zu rücken, war für viele neue Wettbewerber naheliegend. Nahezu jeder ist heutzutage in der ein oder anderen Form als Kunde mit einer Bank in Berührung gekommen. Gezielt haben Start-Ups durch eine branchenfremde Sicht die Probleme betrachtet, welche Kunden im Umgang mit ihren Banken haben und welche Wünsche Kunden bei der Ausführung von Bankgeschäften haben könnten.
Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass viele Challenger Banken und FinTechs genau den richtigen Nerv getroffen haben und mit ihrem Customer-Centricity Ansatz erfolgreich bei den Kunden angekommen sind. Geholfen hat ihnen dabei, dass viele Banken erst zu spät die Unzufriedenheit ihrer Kunden ernst genommen haben. Dabei waren die hohen Zinsen und die nicht vorhandenen technischen Gadgets sicherlich auch ein wichtiger Faktor. Beides hat sich nun zum Nachteil der Banken geändert.
Anders als die großen Bankhäuser, welche oft einen Produktfokus bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen innehatten, haben sich viele FinTechs vollkommen dem Kundenfokus verschrieben und versuchen, einfach zu bedienende und attraktive technologische Lösungen zu schaffen. Dass sie dabei nicht nur neue Kunden gewinnen konnten, sondern gleichzeitig noch kosteneffizientere Prozesse entwickelt haben, half ihnen zusätzlich bei ihrem Wachstum.
Agile Arbeitsmethoden als Katalysator für Customer Centricity
Da Customer-Centricity ein wichtiger Ansatz zur Kundengewinnung ist, gilt es sich bewusst zu machen, wie diese sich in die Organisation implementieren lässt. Im Kern müssen die Mitarbeiter lernen, dass Kundenzufriedenheit fortwährend im Fokus stehen muss und diese langfristig nur durch ein individuelles Leistungsangebot erreicht werden kann. Das bedingt ein vergleichsweises hohes Maß an Flexibilität im Denken und Handeln. Um diese Kultur in der Organisation zu verankern, bieten sich agile Arbeitsmethoden an.
Durch das Arbeiten mit agilen Methoden wird das oftmals vorherrschende Silo-Denken aufgebrochen. In agilen Sprints und in interdisziplinären Teams lernen Mitarbeiter, sich in die Rolle von Kunden zu versetzten und entwickeln mithilfe von fiktiven Personas Produkte, welche für die verschiedensten Kundengruppen zugeschnitten sind. Nur dadurch, dass alle Mitarbeiter ihre Kunden besser kennenlernen, kann die Kultur und damit das Unternehmen nachhaltig zu einer kundenzentrierten Bank gewandelt werden.
Auch beim weiteren Entwicklungsprozess neuer Angebote kommen agile Arbeitsmethoden zum Tragen. In weiteren Sprints werden Skizzen und Pläne gemacht, aus denen Prototypen angefertigt werden, welche verprobt werden können. So wird sichergestellt, dass der Fokus bei der Produktentwicklung immer auf dem Kundenfeedback liegt und dieses in den Prozess einbezogen wird. Wichtig ist dabei, dass nicht jede Produktidee erfolgreich sein muss, sondern dass das Denken außerhalb der bekannten Sphären gefördert und gefordert wird.
Innovationsmanagement und Strategieentwicklung
Ob in der gesamten Organisation oder in eigens dafür geschaffenen Innovationsschmieden; für eine wahrhaft kundenzentrierte Organisation bieten agile Arbeitsmethoden einen idealen Nährboden. Aus Projekterfahrungen von ADVYCE hat sich gezeigt, dass ein umfassendes Innovationsmanagement dabei eine wesentliche Rolle spielt, um den passenden Rahmen zu setzten.
Zur erfolgreichen Etablierung eines Innovationsmanagements gehört auch ein durchgesteuertes Change-Management, um Einzelpersonen, Teams und Organisationen zu helfen, die notwendigen organisatorischen Veränderungen vorzunehmen. Es ist dabei wichtig, innerhalb der Organisation einen Konsens zu schaffen, sowohl über die Ausrichtung als auch über die gewählten Methoden, um das Resultat in der Unternehmensstrategie zu verankern. ADVYCE hat dabei schon viele Unternehmen unterstützt, sei es mit der Entwicklung einer Change Story oder einer Strategie zum Open Banking. Nur so gelingt der langfristige Erfolg und die Initiative versandet nicht bereits vorher.
Beim Thema Open Banking zeigt sich momentan wie akut der Bedarf für viele Banken ist, Teile ihrer Organisation zu transformieren, um den wachsenden Anforderungen standhalten zu können. Denn gerade für den Aufbau eines Ökosystems mit Partnern, deren Leistungen in die eigenen Systeme integriert werden, braucht es ein hohes Maß an Agilität, Innovations- und Experimentierfreude und den „Mut zu scheitern“, wenn ein MVP (minimum viable product) nicht beim Kunden ankommt. Wenngleich mit Aufwand verbunden, so scheint dies doch ein vielversprechender weg aus der momentanen Krise.
Mit Open Banking in die Zukunft
Open Banking gilt weithin als wichtigster Trend in der Finanzdienstleistungsindustrie und das nicht ohne Grund. Die Öffnung der Schnittstellen, auch API genannt, verfolgt das Ziel den Markt auch für die soeben beschriebenen neuen Wettbewerber zu öffnen und diesen den Zugang zu Kunden und deren Daten zu vereinfachen. Dabei suchen sich viele FinTechs Kooperationspartner, in vielen Fällen sind dies Challenger Banken, und schaffen gemeinsam mit diesen eigene Ökosysteme.
Die Entwicklung zu einem eigenen Ökosystem beginnt mit der Erstellung einer bankenoptimierten API-Plattform, welche eine flexible Integration in bestehende Banksysteme ermöglicht. Dadurch kann ein Netzwerk aus Fintech-Funktionen und Partner-Produkten aufgebaut werden in dem kundenzentrierte Produkte entwickelt werden können.
Kein Wunder also, dass einige Banken, die noch am Anfang der Entwicklung stehen, Open Banking kritisch betrachten und vor allem den negativen Effekt auf Grund eines gesteigerten Wettbewerbs sehen. Durch die PSDII sind nun aber die Weichen gestellt und dieser Trend lässt sich endgültig nicht mehr aufhalten. Daher sollten Banken Open Banking nicht länger als Gefahr, sondern als Chance sehen.
Mögliche Wege aus der Krise
Selbstverständlich ist die Transformation einer Organisation, oder bereits eines Teils davon, zu mehr Agilität und höherer Innovationsgeschwindigkeit mit einem erheblichen Aufwand verbunden, genauso wie die Änderung der Kultur hin zur „Customer Centricity“. Wenn man sich aber den aktuellen Markt ansieht, gibt es wenige Alternativen.
Eine Option, für die sich viele Banken entschieden haben, ist der Zukauf von FinTech Unternehmen zur Integration in das eigene Produktportfolio oder in die eigene Direktbank. Gleichzeitig haben viele Banken in ihren online und mobile Auftritt investiert, was aber in der heutigen Zeit wohl eher als Hygienefaktor zu betrachten ist.
Andere Banken haben sich für Kooperationen mit FinTechs und InsurTechs entschieden, um ihren Kunden eine erweiterte Produktpalette anzubieten und hoffen dadurch die Kunden von der Abwanderung abzuhalten. Einige etablierte Banken haben mittlerweile ihre eigenen Innovationsschmieden eingerichtet und erhoffen sich dadurch kundenzentrierte Produkte, die sich am Markt durchsetzen können.
Unterstützung auf dem Weg zur Customer Centricity
Welchen Weg die Banken auch wählen, es zeigt sich, dass etwas getan werden muss, um auch in Zukunft die Kunden zu behalten und nicht zwischen den niedrigen Zinsüberschüssen und hohen Verwaltungsaufwendungen zerrieben zu werden. Dabei kann ADVYCE unterstützen, durch die gemeinsame Wahl des richtigen Ansatzes und die Entwicklung einer zielführenden und passgenauen Strategie.
Lucas Nötges